Der Spiegel aus Bilbao
davon abzubringen, weil ich genau wußte, was sie für einen Affenzirkus
veranstalten würden. Erstaunlicherweise hat er sogar auf mich gehört.«
»Sie sagten, seine Frau sei mit
Alice B., wie Sie sie nennen, verwandt?«
»Ja. Vare ist ihre Nichte. Nach
dem zu urteilen, was ich heute bei Miffy gehört habe, ist sie in der letzten
Zeit recht häufig dort aufgetaucht, offenbar um Alice B. zu veranlassen, ihr
Geld zu hinterlassen. Vare kennt sich mit Äxten und Beilen gut aus, denn sie
hat einen dieser Kurse für Überlebenstraining mitgemacht. Wenn Lionel ihr
wirklich den Geldhahn zudreht, wie er ihr gerade androht, ist sie finanziell
schlecht dran, denn Tigger scheint mir nicht nur eine professionelle
Schnorrerin, sondern auch noch eine recht unangenehme Person zu sein. Vare hat
kein eigenes Geld, soviel ich weiß, und ihre Eltern werden sie sicherlich nicht
unterstützen, wenn Tigger davon profitiert. Ich kenne sie. Ich bin der Meinung,
Sie sollten sich auf jeden Fall erst die Testamente ansehen, bevor Sie irgend
etwas unternehmen, Chief Wilson.«
»Vielen Dank für den Vorschlag,
Mrs. Kelling. Zufällig haben wir daran auch schon selbst gedacht. Miss Beaxitt
hat ihren gesamten Besitz, der sich auf etwas mehr als 300000 Dollar beläuft,
Margaret Tergoyne hinterlassen. Der Ersatzerbe wäre Alexander Kelling gewesen.«
»Alexander Kelling?« stammelte
Sarah. »Aber — aber welcher Alexander Kelling denn? Der Name kommt in unserer
Familie recht häufig vor. Ich habe einen Cousin namens Alexander Brooks Kelling
und einen anderen, der -«
»In unserem Fall handelt es
sich um einen gewissen Alexander Archibald Douglas Kelling. Gibt es davon auch
so viele?«
Sarah schüttelte den Kopf. Sie
hatte das Gefühl, jeden Moment in Ohnmacht zu fallen. »Nein, gar keinen mehr.
Das war der Name meines Mannes. Warum um alles in der Welt hätte Alice B. ihm
ihr Geld vermachen sollen?«
»Im Testament steht: ›In
Gedenken an unsere wundervolle Beziehung.‹ Sagt Ihnen das etwas?«
»Allerdings.« Ihre Stimme
zitterte jetzt. »Das bedeutet, daß sie alle glauben machen wollte, sie sei
Alexanders Geliebte gewesen. Das ist typisch für sie! Alice B. konnte sich
nicht einmal umbringen lassen, ohne damit eine Gemeinheit zu verbinden.«
»Sie haben nichts von dem
Vermächtnis gewußt?«
»Gewußt? Natürlich habe ich
davon nichts gewußt! Von allen ekelhaften, scheußlichen — tut mir leid. Was
nutzt es mir schon, wenn ich jetzt schimpfe und tobe? Sie hatte ihren Spaß, und
ich muß eben die Folgen ertragen. Sie können genausogut mich verhaften, Chief
Wilson, denn wenn ich gewußt hätte, was sie vorhatte, hätte ich die
hinterhältige Hexe eigenhändig erschlagen.«
»Dann sind Sie also nicht der
Ansicht, daß sie tatsächlich eine intime Beziehung zu Ihrem Ehemann gehabt hat
— damals, als die beiden noch jung waren, meine ich?«
»Es ist mutig von Ihnen, mir
diese Frage zu stellen, Chief Wilson. Nein, das glaube ich nicht. Mein Mann war
derart schwer traumatisiert — ich denke, das ist das richtige Wort — durch die
einzige verhängnisvolle Affäre, die er hatte, als er praktisch noch ein kleiner
Junge war, daß er sich überhaupt nicht für Sex interessiert hat. Und erst recht
nicht mit einer Frau, die herumlief und überall alles ausposaunte, was sie
wußte, und oft auch das, was sie nur vermutete. Es ist allerdings durchaus
möglich, daß Alice B. in Alexander verliebt war, denn er war schließlich ein
außerordentlich attraktiver Mann, wie Sie selbst wissen. Da er allen gegenüber
immer höflich und rücksichtsvoll war, hat Alice B. möglicherweise mehr in sein
Verhalten hineininterpretiert, als er beabsichtigte. Noch wahrscheinlicher ist
allerdings, daß dies bloß wieder einmal einer ihrer gemeinen Späße war. Das
wird ein schönes Gerangel unter den Beaxitts geben.«
»Und Sie selbst, Mrs. Kelling?«
»Wie meinen Sie das? Ich habe
doch damit nichts zu tun.«
»Sie sind die Alleinerbin Ihres
Mannes, nicht wahr? Jetzt, wo sie beide tot sind, könnten Sie sich doch einen
geschickten Anwalt nehmen —«
»Ich denke nicht im Traum
daran! Miffy hat Gott sei Dank lange genug gelebt, um alles zu erben, daher
bezweifle ich, daß ich eine rechtliche Grundlage hätte, angenommen, daß ich
überhaupt je auch nur einen Pfennig davon angerührt hätte. Die Beaxitts werden
bestimmt durchdrehen. 300 000 Dollar sind ein ganz schöner Batzen Geld. Ach
herrje«, Sarah war gerade ein merkwürdiger Gedanke durch den Kopf
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