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Der Spiegel der Königin

Der Spiegel der Königin

Titel: Der Spiegel der Königin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: balzon
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die Schiffsinsel mit der Werft schauen. Das Hafenwasser vor ihnen war gefroren. Im Sommer musste hier ein La n dungssteg für Ruder - oder Transportboote sein, jetzt aber standen kleine Holzschlitten bereit, um die Gesellschaft über das Eis zum Festland zu bringen. Die Pferde vor den Schlitten scharrten im Schnee, der die Eisfläche bedec k te. Schon beim Anblick der Tiere bekam Elin Herzklo p fen. Ein Auftrag der Königin! Und sie sollte dafür reiten lernen. Der nächste Gedanke jagte Elin einen Schauer über den Rücken. Ob die Königin sie nach Deutschland schicken würde?
    Ebba winkte Elin zu sich und ließ sie in ihrem Schli t ten Platz nehmen. Das Gefährt war nicht viel mehr als eine offene Holzschale mit Kufen. Geschnitzte Meere s pferde flankierten die Seiten. Mit einem scharfen Ruck setzte es sich in Bewegung. Die Lakaien froren in ihren Prachtlivreen und trieben die Pferde zu einem raschen Trab an. Das schleifende Geräusch der Kufen und das Schnauben der Pferde vermischten sich zu einem Winte r lied, das Elins Seele wärmte. Fräulein Ebba hatte von der Kälte rote Wangen, was ihr sehr gut stand. Mit einer el e ganten Bewegung streifte sie ihren Handschuh ab und holte einen Beutel aus bestickter Atlasseide unter ihrem Mantel hervor.
    »Ich habe mich immer noch nicht bedankt, Elin«, sa g te sie. Der Wind spielte mit ihren Worten und trug sie davon. Ebba rückte näher an Elin heran, eine Nähe, die ungewohnt und aufregend war, und drückte ihr den Be u tel in die Hand.
    »Das ist für dich. Bewahre es gut, es bringt Glück und schützt vor bösen Geistern!«
    »Böse Geister?«
    Ebbas Lächeln verblasste zu einer angespannten S i chel. Ihre schönen Augen waren voller Furcht.
    »Im Schlossgarten und im Park, ja. Der Oberhofmei s ter hat sie gesehen und die Nichte des Schatzkanzlers ebenfalls. Das arme Mädchen ist so erschrocken, dass sie eine ganze Woche lang an Fieber und Krämpfen litt.« Sie seufzte und blickte gedankenverloren auf das Eis. »Ich fürchte mich vor ihnen. Schon seit Wochen habe ich das Gefühl, dass ein schreckliches Unglück über dem Schloss liegt. Die Gespenster sind Unglücksboten.« Ihre Stimme wurde leiser, bis sie sich beinahe i m Wind verlor. »Auch vor dem Tod meines Vaters gab es Unglückszeichen – Raben und riesige Schwärme von Dohlen, die sich g e genseitig die Augen aushackten.« Elin schauderte und verkroch sich noch tiefer unter das schützende Schaffell, mit dem sie sich zugedeckt hatten. »Und dann verliere ich in Uppsala das Medaillon meines Vaters«, fuhr Ebba leise fort. »Da waren sie mit einem Mal wieder gege n wärtig – all die bösen Omen.«
    »Sie haben das Medaillon wieder, Fräulein Ebba«, warf Elin ein. »Manchmal ist ein Rabe nur ein Rabe und ein Gespenst nur Nebel zwischen den Bäumen.«
    Die Hofdame zeigte ein trauriges Lächeln und seufzte.
    »Natürlich«, sagte sie leise und nicht sehr überzeugt. »Das könnten auch Kristinas Worte gewesen sein. Sie spricht nicht gern von Aberglauben und Gespenstern. Und auch über Hexen verliert man in ihrer Gegenwart am besten kein Wort. Sie glaubt nicht daran, dass es H e xen gibt, und will die Prozesse endgültig verbieten la s sen.«
    »Ich glaube auch nicht daran«, sagte Elin. »An Hexen, meine ich.« Sie schluckte und dachte an Emilias Haar. Durch den Stoff des Beutels hindurch ertastete sie die filigrane Form eines winzigen Kreuzes.
    Die junge Hofdame schenkte ihr ein Lächeln und de u tete auf das Ufer, an dem sich der rote Palast aus Ziege l werk erhob.
    »Das ist der Palast Makalös – › Ohnegleichen ‹ . Das größte Gebäude nach dem Schloss. Macht er seinem Namen nicht alle Ehre?«
    Von den Mauern des Schlosses aus gesehen wirkte das Gebäude nicht halb so prächtig wie aus der Nähe. Elin zählte f ünf Stockwerke. Ganz oben befand sich eine ri e sige Dachterrasse – wie gemacht für Feste unter einem So m merhimmel.
    »Unser Reichsmarschall Jakob de la Gardie hat es vor ein paar Jahren erbauen lassen«, erklärte Ebba. »Er ist Magnus ’ Vater.«
    Vom Wasser führte eine breite Treppe direkt hinauf zum prächtigen Palast. Vier mächtige Türme grenzten das Gebäude an den Ecken ab und erhoben sich zu spi t zen Kupferzinnen. Auf den beiden seezugewandten Tü r men an der Südseite thronten kupferne Meerjungfrauen mit wehendem Haar. In den Händen hielten sie Pfeil und Bogen. Steinerne, grimmig dreinblickende Löwen b e wachten den Eingang in der Mitte eines langen Arkade n gangs, an dem

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