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Der Spiegel der Königin

Der Spiegel der Königin

Titel: Der Spiegel der Königin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: balzon
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Kopf. Wie konnte jemand die K ö nigin für einen Mann halten ?
    »Wie soll das gehen – meint ihr, sie stopft sich Äpfel ins Dekolletee?«
    »Nun stell dich nicht dümmer, als du bist! Diese zwei Äpfelchen hier verdankt Linnea allein Frau Lovisas Näh - und Polsterkunst.«
    Ein Quieken und ein Klatschen ertönte, als hätte Li n nea eine vorwitzige Hand weggeschlagen.
    »Ach, hört auf!«, zischte ein anderes Mädchen. »Und lasst das niemanden hören! Das sind doch Lügen!«
    »Nun, in jeder Lüge steckt ein Körnchen Wahrheit. Vielleicht gründet sich der Verdacht auf der Vermutung, dass die Königin liebt wie ein Mann?«
    »Hast du ihr schon einmal unter den Rock geschaut?«
    »Ich nicht, aber Fräulein Ebba bestimmt!«, gab Tilda zurück. »Linnea hat gesehen, wie Kristina das Fräulein geküsst hat! Und warum sollte die Königin sonst mit der Heirat so lange zögern? Wer weiß, was der Bräutigam in der Hochzeitsnacht unter dem Rock finden würde?« Das Kichern wurde lauter und erlosch so abrupt, als hätte j e mand die Flamme einer Kerze mit einem eiskalten Hauch ausgeblasen. Einen Augenblick herrschte betretene Stille, dann hörte Elin das Poltern eines umgekippten Stuhls und ein erschrockenes »Oh!«.
    »So, hat es euch endlich die Sprache verschlagen ? « Lovisas Stimme klang wie ein Donnerschlag. Vor Schreck stach sich Elin noch einmal in den Finger. »Ti l da! Linnea! Raus hier! Geht in die Kammer, bis ich euch hole.«
    »Oh, Frau Lovisa, verzeihen Sie«, schluchzte die dürre Linnea. »Wir haben nur gescherzt …«
    »Das sind keine Scherze, sondern dumme Lügen! Und die werden euch eines Tages noch den Kopf ko s ten. Wisst ihr, was man im russischen Zarenreich mit solchen Lügnerinnen macht ? Man gräbt sie nackt bis zum Kopf in die Erde ein und lässt sie erfrieren. Und Königin Kri s tina wird weitaus e rfindungsreicher sein, wenn sie hört, wie ihr dummen Gänse sie verleu m det.«
    Elin hörte entsetztes Stöhnen und unterdrücktes Schluchzen, dann stürzten die zwei Mädchen mit ve r weinten Gesichtern und hochroten Köpfen durch die Se i tentür in das Durchgangszimmer, in dem Elin saß, und verschwanden durch die Tür. Lovisa gönnte Elin keinen Blick, als sie die Kammer betrat. Auf dem Arm trug sie ein Gewand aus festem, grauem Stoff.
    »Zu fest geschnürt, ja?«, murmelte sie und winkte Elin zu sich. Mit wenigen Handgriffen hatte sie die Schleifen an Elins Mieder geöffnet und begann die Schnüre zu l o ckern. Es war ein seltsames Gefühl, die Hände der Kammerfrau auf dem Rücken zu spüren. Trotz ihres Ä r gers waren ihre Griffe nicht schmerzhaft, sondern sanft und flink. Erleichtert atmete Elin tief ein. Wenig später hatte sie sich von einer Puppe in einen Menschen z u rückverwandelt. Statt der hohen Schuhe trug sie flache Halbschuhe aus schwarzem Leder – ähnlich denen der Königin – und ein etwas zu weites, gra u es Gewand aus robustem Stoff. Lovisa zupfte mit krit i schem Gesicht die Rockfalten zurecht und seufzte.
    »Gewöhnlich siehst du jetzt aus«, seufzte sie. »Ein Jammer bei einem so hübschen Mädchen!« Endlich schenkte sie Elin ein flüchtiges Lächeln und kniff sie leicht in die Wange.
     
    »Wie apart sie aussieht!«, rief Fräulein Ebba schon von weitem. »Ich dachte, du hättest grüne Augen, aber wenn du ein graues Kleid trägst, sind auch deine Augen grau wie heller Satin!« Die Gruppe von Höflingen, die Ebba begleitete wie ein Schwarm Motten das Licht, mu s terte nach dem Kompliment interessiert Elins Gesicht, als gäbe es einen Schatz zu entdecken, den sie dort nie ve r mutet hätten.
    »Ich danke Ihnen«, murmelte Elin. Neben Ebba, die ein safrangelbes Gewand trug, fühlte sie sich wie ein K ü chenkäfer neben einem Schmetterling. »Kommt«, befahl Ebba. »Wir nehmen den kürzesten Weg zum Bootssteg!«
    Elin hatte erwartet, wieder in einen großen Schlitten steigen zu müssen, der sie über die Brücke bringen wü r de, stattdessen führte der Weg noch tiefer ins Schlossi n nere, mehrere Treppen hinunter in Richtung der Vorrat s keller. Durch Gänge, die immer roher wurden – erst Zi e gelgewölbe, wo Brennholz gelagert wurde, dann grob behauener Sandstein –, kamen sie durch mehrere Tore und Türen, bis ihnen eisige Luft entgegenwehte. Ein d i rekter Gang aus dem Schloss! Elin sperrte den Mund auf und blickte an der steilen Burgmauer hoch, die sich, so schien es ihr, bis in den Himmel erhob. Es musste die Ostfassade sein, denn man konnte von hier aus auf

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