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Der Spiegel der Königin

Der Spiegel der Königin

Titel: Der Spiegel der Königin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: balzon
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heißt?«, spottete er. »Er sieht harmlos aus, aber er hat stets noch einen Wurf parat, um dich mir nichts, dir nichts aus dem Spiel zu befördern.« Sein Lächeln wurde zu einem Grinsen. »Bete, dass ihr zur Jagd nur auf die Insel Djurgärden geht. Wenn du das Pferd nicht halten kannst, werden es zumindest die Ufer der Insel früher oder später zum Stehen bringen!«
    Elin biss die Zähne zusammen und stand mühsam auf. Immer noch zitterte sie vor Schreck. Ihre ganze linke Seite war schneeverklebt und schmerzte wie nach einem Hieb mit einem Holzeimer. Mit fahrigen Händen ordnete sie ihre Röcke und suchte wütend nach einer Antwort.
    »Du irrst dich, Lars!«, rief sie schließlich. »Ich bin freiwillig abgesprungen. Wenn du mich auf diese Kuh mit Mähne setzt, musst du dich nicht wundern, wenn ich zu Fuß schneller wieder im Schloss bin als hoch zu Ross!«
    Lars sah sie so verblüfft an, dass sie lachen musste, obwohl ihr mehr denn je zum Heulen zumute war.
    »So, Fräulein Scheuermagd will lieber spazieren g e hen?«, brüllte der Reitmeister. »Nichts da! Zurück in den Sattel, bevor die Angst das Pferd überragt und dir bei jedem Ritt über die Schulter schaut!«
    Elin wischte sich rasch über die Augen und humpelte mit erhobenem Kopf zu Spelaren . So, wie sie es vor einer halben Stunde gelernt hatte, zog sie sich auf den Pferd e rücken hoch und ließ sich in den Sattel gleiten. Ihr nasser Rock hing schwer an ihrer Hüfte. Behutsam und voller Angst holte sie die Zügel ein. Rechts von ihr erhob sich die gewaltige Nordseite des Palastes Makalös. Die be i den berittenen Krieger, die die Zinnen der landzug e wandten Seite schmückten, schienen ihr höhnisch mit den Lanzen zuzuwinken. Gerade wollte sie die Zügel weiter nachfa s sen, als ihr an einem Fenster etwas auffiel. Wie ein bla s ser Mond leuchtete ein Gesicht hinter den in Blei gefas s ten, rechteckigen Scheiben. Mit verschränkten Armen stand der junge Marquis de Vaincourt am Fenster und beobachtete die Reitstunde. Selbst als er Elins Blick b e merkte, wich er nicht zurück.
     
    An tausend Stellen pochten Blutergüsse und blaue Fl e cken. Blasen brannten an den Fingern, die die Zügel wund gescheuert hatten, und zu allem Überfluss hatte sie sich beim zweiten Sturz auch noch die Hand verstaucht. Das Feuer im Mädchenzimmer war heruntergebrannt. Wenn Elin die Augen schloss, saß sie wieder auf Spel a rens Rücken und war glücklich wie noch nie zuvor. B e hutsam tastete sie unter der Bettdecke nach dem kleinen Silbe r kreuz, das Fräulein Ebba ihr geschenkt hatte. Und nun besaß sie auch noch einen eigenen Sattel! Wie gern hätte sie Emilia davon erzählt.
    Für einen Moment hörte sie wieder Ebbas Worte über das drohende Unheil, aber diesen Gedanken wollte sie schnell wieder beiseite schieben. So kniff sie die Augen zusammen wie ein Kind, das hofft, wenn man den Troll nicht sah, würde er einen auch nicht entdecken. Doch die Träume ließen sich von diesem Zaubertrick nicht zum Narren halten. Als Elin mitten in der Nacht aufwachte, war ihr Haar schweißnass. Immer noch trieb ihr das Bild von einer schlafenden Emilia vor Au g en. Aber als Elin im Traum näher an das Bett ihrer Freundin herangetreten war, sah sie, dass die Hand, die auf Emilias Brust lag, sich nicht mit dem Atem hob und senkte. Emilia – ihre Emilia! – war gestorben; mit der Hand auf ihrem schmerzenden, vernarbten Herzen.
    Ein klarer Wintermond tauchte die Bettvorhänge in ein geisterhaftes Licht. Nach und nach nahm Elin, noch i m mer ganz benommen, den Atem der anderen Mädchen wahr, die in diesem Zimmer schliefen. Neben ihr im Bett lag Tilda. Wie immer hielt sie ihr Kissen eng umschlu n gen und lächelte leicht im Schlaf. Elin schlug die mit Fell gefütterte Decke zurück und stand auf. Nur mit dem kn ö chellangen Unterkleid aus Leinen bekleidet, verließ sie das Gemach und tappte barfuß über den Gang. Auf de s sen Südseite befand sich eine Nische mit einem großen Fenster, das direkt auf ein Gebäudedach zeigte. Links davon konnte Elin einen Blick in den streng geometrisch angelegten Parkgarten werfen, der sich wie eine mit a k kurat gestutzten Hecken bepflanzte Terrasse über den tiefer gelegenen Teil der Burg erhob. Zur Rechten, weit unterhalb dieser Anhöhe, befand sich der von der äußer s ten Schlossmauer umgrenzte Obstgarten. Ganz ung e zähmt streckten hier die winterkahlen Obstbäume ihre Äste nach dem Mond aus. Die kleinen, rechteckigen Scheiben beschlugen von Elins

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