Der Spiegel der Königin
gibt andere Menschen in Stoc k holm, die kein Interesse daran haben, das Elend auf den Schlachtfeldern zu beenden, kriegslüsterne Männer, die schon meinem Vater treu dienten und die nun um ihre Kriegsbeute fürchten. Sie s ind unmäßig wie Raubtiere und wollen so viele G e biete wie möglich verschlingen. Mein Kanzler ist ein brillanter Staatsmann, aber er wird den Teufel tun, mir nach so vielen Jahrzehnten der Macht die Zügel freiwillig zu überlassen.«
»Werden Sie Adler Salvius den Sitz im Reichsrat g e ben?«
Nun wirbelte Kristina herum und starrte Elin an.
»Was erzähle ich dir nur?«, sagte sie ärgerlich. »Der Krieg ist nicht dein Geschäft – und die Friedensverhan d lungen schon gar nicht. Es steht dir außerdem überhaupt nicht zu, mir solche Fragen zu stellen.«
»Dieser Krieg betrifft mich durchaus«, widersprach Elin leise. »Er hat meinen Vater und meine … Mutter das Leben gekostet. Ich kenne niemanden, der im Krieg nicht einen Sohn oder einen Vater verloren hat. Wenn der Bü r gerliche Adler Salvius Ihnen als Königstreuer dienen kann, dann kann ich es auch. Oder denken Sie, ein … H u renkind sei nicht gut genug?«
Die traurige Königin sah sie an und lächelte. Elin e r schrak, als Kristina zu ihr trat und ihr die Hände auf die Schultern legte. Ihre Finger waren kräftig wie die eines Stallburschen.
»Überlege gut, was du mir versprichst. Weißt du, wie viel es dich kosten kann, nicht nur ein Handlanger, so n dern eine echte Königstreue zu sein? Ich hätte sogar eine Aufgabe für dich, aber dennoch lasse ich dir die Wahl. Du kannst bei Lovisa bleiben und ein Hoffräulein we r den. Und wenn du schön sticken, tanzen und plaudern gelernt hast, wird Lovisa einen Ehemann für dich finden, der dich gut versorgt.«
»Ich werde kein Hoffräulein, das wissen Sie genau. Ich bin nicht hier, um zu sticken.«
»Dann schwöre«, sagte die Königin ernst. »Schwöre bei Gott und beim Grab deiner Eltern, dass du schweigst und dass du tust, worum ich dich bitte.«
Elin dachte an ihren Vater und an Emilias Mann und hob das Kinn.
»Ich schwöre«, sagte sie mit fester Stimme.
Kristina ließ ihre Schultern los und trat zurück. Ein anerkennendes Lächeln glitt über ihr Gesicht.
»Ich hoffe, du wirst deinen Schwur nicht bereuen.« Sie drehte sich um und schritt zum Schreibtisch zurück. Ihr schwerer Rock schwang wie eine Glocke. Papier raschelte, als sie einen Brief öffnete und zu lesen b e gann.
»Geh!«, sagte sie, ohne sich noch einmal nach Elin umzusehen. »Dein Auftrag wird vielleicht verlangen, dass du gut reiten kannst. Fräulein Ebba wird dich heute Nachmittag zum Palast Makalös mitnehmen. Und richte Lovisa einen schönen Gruß von mir aus. Der ganze übe r flüssige Putz wird dir auf dem Pferd nur hinderlich sein. Sie soll dir ein bequemes Kleid mit möglichst weitem Rock geben und dein Mieder nicht so fest schnüren. Du bist schließlich keine Presswurst.«
Beleidigt war Lovisa mit wehenden Röcken davong e segelt, um nach passender Reitkleidung für Elin zu s u chen. Elin hatte sich indessen mit ihrer Stickerei ans Fe n ster gesetzt und tat so, als würde sie die gekicherten Ko m mentare der Mädchen im Nebenraum nicht hören. Sie zählte die Sekunden. Vor Ungeduld stach sie sich schon zum vierten Mal in den Finger. Tildas Stimme war nicht zu überhören. Wie immer konnte das Mä d chen ihre scharfe Zunge nicht im Zaum halten. Und heute ha t te sie Unterstützung von Linn e a, der Tochter des Hofzahlmei s ters, die erst seit kurzem im Schloss lebte.
»Jetzt soll sie auch noch reiten, meine Güte!«, tusche l te Tilda. »Meint ihr, die Königin wird ihr auch noch b e fehlen, Hosen zu tragen?«
»Nun, das würde ihr jedenfalls besser stehen als der Samtrock.« Das war Linneas Stimme. »Wenn sie meint, dass niemand hinschaut, läuft sie wie ein Stallknecht. Vielleicht macht sie auf dem Pferd eine bessere Figur.«
»Bist du sicher? Wenn sie so reitet wie die Königin?«
Wieder ein Prusten. Das Getuschel wurde leiser und schärfer.
»Die Königin reitet wie ein Mann.«
»Vielleicht ist sie ja ein Mann?«, sagte Tilda. Emp ö rungsrufe der anderen Mädchen wurden laut.
»Du Schandmaul!«
»Das ist doch nicht dein Ernst!«
»Doch! Im Ausland werden solche Vermutungen a n gestellt. Der Diener des englischen Gesandten hat es mir verraten. Wegen ihrer tiefen Stimme. Und seid mal eh r lich, denkt euch die Röcke weg – könnte sie nicht ein Mann sein?«
Elin schüttelte den
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