Der Spiegel der Königin
dunklem Haar und noch dunkleren Augen. Er beteiligte sich kaum an den Gesprächen und hatte sich seine Trin k kanne mit dem Silberdeckel schon zum dritten Mal füllen lassen. Seine Augen waren ve r schleiert vom vielen Wein, und er starrte die Königin an wie ein verdurstender Hund die Quelle. Offenbar gefiel es ihm nicht, dass Kristina in den höchsten Tönen von Ebba schwärmte, die ebenfalls am Tisch saß.
»Sie spielt nicht die Venus, sie ist eine!«, sagte Krist i na gerade leidenschaftlich zum alten Marquis. Und setzte provokant hinzu: »Ihr Körper ist ebenso schön wie ihre Seele!« Der junge Oberst am Tisch verzog das Gesicht, als hätte er in einen verdorbenen Fisch gebissen, was Kristina ebenso wenig bekümmerte wie die Tatsache, dass Fräulein Ebba errötete. »Sie werden staunen, wie wundervoll meine Belle in ihrem Ballettkostüm au s sieht!«, fuhr Kristina fort. »Ein Jammer, dass unser ju n ger Graf nicht an den Tanzproben teilnehmen konnte. Wie geht es Ihrem Knie?«
»Besser«, erwiderte Henris Vater an der Stelle seines Sohnes. »Nicht der Rede wert. Natürlich hätte er heute tanzen können, aber für Ihr Ballett wäre es sicher kein Gewinn gewesen. Selbst wenn er gesund ist, hat er zwei linke Beine.«
Elin zweifelte daran, ob sie die französischen Sätze a l le richtig verstanden hatte, aber im Gegensatz zu seiner Frau, die so schnell zwitscherte wie ein ungeduldiger Vogel, sprach der Marquis langsam und gesetzt. Offe n bar hielt er nicht viel von s einem Sohn. Nun, dachte Elin bei sich, dann sind wir ja schon zu zweit.
»Sie hatten großes Glück, Monsieur Henri, dass das Fräulein Elin in der Nähe war«, hörte sie Kristinas Sti m me. Erschrocken blickte sie auf.
Der alte Marquis zog die Brauen hoch.
»Wie darf ich das verstehen ? Mir wurde gesagt, die Gardisten hätten das Pferd eingefangen?«
»Das ist auch nicht gelogen«, erwiderte die Königin mit einem Lachen. »Fräulein Elin ist ein weit beherzterer Soldat als so mancher in meiner Leibgarde. Karl sollte sie für seine Kavallerie anwerben.« Der Oberst erwachte aus seinem trunkenen Groll und ließ den Blick zu Elin schweifen. Das war also Kristinas Verlobter! »Meine Hofdamen sind nicht zu viel zu gebrauchen, aber Frä u lein Elin sollte man nicht unterschätzen«, schloss Krist i na und hob das Weinglas. Elin senkte den Kopf und starrte die weiße Tischdecke an. Als Muster waren au s gerechnet springende Einhörner eingewebt. Erst als das Schweigen bleischwer wurde, wagte sie aufzusehen.
Der Marquis musterte seinen Sohn kritisch. Trotz se i nes galanten Lächelns gefror sein Blick. Henri kniff die Lippen zusammen und schwieg.
»Nun, dann danke ich Ihnen von Herzen, Mademoise l le«, wandte sich der Marquis schließlich an Elin. »Ich hoffe, Sie sind gebührend entlohnt worden.«
»Sie spricht nur Schwedisch«, meinte die Königin gut gelaunt.
Der Blick, den der Marquis Elin nun zuwarf, gab ihr das Gefühl, ein verachtungswürdiger Wechselbalg zu sein.
»Sie ist trotzdem ein ganz reizendes Mädchen«, beei l te sich die Marquise zu sagen. »So ein hübscher Teint!« Mit einem Mal hasste Elin nicht nur Henri und seine E l tern, sondern auch alle anderen am Tisch – den betrunk e nen Karl Gustav, der sie aus glasigen Augen anstarrte, den Bibliothekar, ja sogar die Königin, die sie in diese Lage gebracht hatte. Lovisas Ermahnung schrillte in i h rem Ohr, aber ihr Mund öffnete sich wie von selbst.
»Ich bin reich belohnt worden, Monsieur«, sagte sie und bemühte sich, die französischen Worte langsam und korrekt auszusprechen. »Einen Riksdaler habe ich erha l ten.« Der Marquis und seine Frau überspielten ihre Übe r raschung gut. Henri dagegen war ebenso verblüfft wie die übrigen Tischgäste. Am anderen Ende der Tafel rec k te man die Hälse, um zu sehen, was die plötzliche Stille zu bedeuten hatte.
»Dann ist es wohl an mir, der Mademoiselle ein a n gemesseneres Dankesgeschenk zu machen«, sagte der Marquis.
»Überlassen Sie es mir, mich bei der jungen Dame e r kenntlich zu zeigen«, versuchte Magnus galant zu ve r mitteln. »Schließlich war der Unfall allein meine Schuld. Enhörning ist kein Pferd, das man einem Gast überlässt, dessen Leben einem teuer ist.«
»Ich danke Ihnen, aber wir Vaincourts lassen niemals unsere Gastgeber dafür bezahlen, dass unsere Kinder ihre Reitstunden nicht ernst genug nehmen. Henri!« Die Stimme des alten Grafen schnitt schärfer als das Rasie r messer eines Barbiers. »Geh in
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