Der Spiegel der Königin
spielen Sie mit den Menschen?« Er stellte das Weinglas so hart auf dem Nachttisch ab, dass Elin fürchtete, es würde zerbrechen. »Erik hat mir von Ihrer Verlobung mit Hampus erzählt. Was würde Ihr Verlobter dazu sagen, dass Sie mit anderen Männern ausreifen?«
»Wenn Erik so etwas behauptet, ist er ein Großmaul. Ich habe niemandem versprochen, ihn zu heiraten! Sie scheinen es noch nicht bemerkt zu haben, Monsieur He n ri – aber es existiert auf der Welt so etwas wie Freun d schaft. Andererseits wundert es mich nicht, dass Sie diese Regung nur sehr selten antreffen.«
»Für Sie ist es einfach, über andere Menschen zu ric h ten«, sagte er heiser. »Sie haben noch ein Leben. Meines ist vorbei. Wer will schon einen Krüppel?« Er räusperte sich. Der Wein vernebelte seinen Blick. »Sie doch sicher nicht, Mademoiselle.«
Der scharfe Spott in seiner Stimme fachte Elins Wut noch mehr an.
»Bilden Sie sich nur nichts auf Ihr Elend ein«, zischte sie ihm zu. »Jeder trägt seine Wunden. Sie sind weiß Gott überhaupt nichts Besonderes, Henri.«
Der Weinduft musste ihr zu Kopf gestiegen sein, a n ders konnte sie es sich kaum erklären, wozu sie sich nun im Zorn hinreißen ließ. Henri errötete, als er sah, wie sie zu der Schnürung ihres Mieders griff. Mit wütenden B e wegungen löste sie Band um Band, setzte sich zu ihm an den Bettrand und wandte ihm den Rücken zu. Dann zer r te sie das Mieder auf und streifte sich entschlossen das leinerne Unterkleid über die Schultern. Ihre Narbe poc h te, als würde Henris Blick sie erwärmen. Sie wusste, was er sah. Mithilfe eines zweiten Spiegels hatte sie die Na r be schon oft betrachtet – eine rote, verzerrte Sonne. Nie hätte sie Hampus einen Blick darauf werfen lassen und selbst bei Lovisa schämte sie sich, so viel Hässlichkeit zu zeigen, aber hier, in Henris Gegenwart, fühlte es sich seltsamerweise richtig an. Das erschreckte sie noch mehr als ihre Kühnheit. Henri schwieg, während ihr Herz so heftig schlug, dass die Narbe pulsierte und wieder zu schmerzen begann. Elin schämte sich unendlich. »En t schuldigen Sie«, flüsterte sie. »Ich benehme mich wie ein Barbar. Ich wollte Sie nicht in Verlegenheit bringen.« Gerade wollte sie das Hemd w ieder über ihre Schulter streifen, als eine Berührung sie innehalten ließ. Ein leic h ter Atemhauch strich über ihre Haut und ließ sie frösteln. So behutsam, als könnte jede Berührung sie verletzen, küsste Henri erst ihre Na r be und dann ihren Nacken. Elin wagte kaum zu atmen, als er die Arme von hinten um sie legte. Sie schloss die Augen und lehnte sich zurück, ließ sich ganz in diese Umarmung fallen. Sie schwiegen la n ge, als hätten sie Angst, ein einziges Wort könne diese Nähe zerstören. Schließlich zog Elin ihr Unterkleid wi e der über die Schultern, drehte sich um und sah Henri ins Gesicht. In seinen Augen fand sie Schmerz. Er betracht e te Elin wie eine Kostbarkeit, die er nie besitzen würde. Trotz des bitteren Zugs um seinen Mund waren seine Lippen u n endlich schön. Vorsichtig strich sie ihm das schwarze Haar aus der Stirn. Ihre Finger schienen auf einmal alles viel intensiver zu fühlen. Schließlich beugte sie sich zu ihm und küsste ihn. Und selbst wenn er sie dafür verspo t ten würde – in diesem Augenblick war es unwichtig, wichtig war nur diese Sehnsucht, seine Li p pen zu berü h ren.
Es fühlte sich ganz anders an als Kristinas Kuss oder Hampus ’ Umarmung. Das hier war Sehnsucht und gleichzeitig das Gefühl, das Ersehnte endlich gefunden zu haben. Henri zog sie an sich und erwiderte ihren Kuss wie ein Ertrinkender. Als sie sich nach einer Ewigkeit voneinander lösten, verwirrt, mit pochenden Lippen und rasenden Herzen, lächelten sie sich verlegen an.
Erst als die Tür zuklappte, fuhren sie ertappt auseina n der.
Als Elin auf Tre Kronor ankam, wartete bereits Lovisa auf sie. Ihr Gesicht war vor Zorn verzerrt. Ohne ein we i teres Wort packte sie Elin grob am Arm und stieß sie in das nächstbeste Zimmer.
»Was hast du dir nur dabei gedacht?« Elin antwortete nicht, sondern senkte nur den Kopf. Sie brauchte nicht zu fragen, wovon Lovisa sprach. Die Hofdame wetterte o h nehin schon los.
»Monsieur Tervué war bei den Chanuts zu Besuch und hat dich gesehen! So gut wie nackt auf Monsieur Henris Bett! Bist du noch zu retten? Ist dir klar, dass du deine Zukunft ruinierst?«
»Ich war nicht nackt«, murmelte Elin. »Es war nur …«
»Schweig!« Lovisa rang die Hände. »Und
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