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Der Spiegel der Königin

Der Spiegel der Königin

Titel: Der Spiegel der Königin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: balzon
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noch dazu mit einem Katholiken. Herr Nilsson wird dich nicht ei n mal mehr mit der Schmiedezange anfassen. Ganz zu schweigen von …«
    »Ich lege keinen Wert auf Herrn Nilsson.«
    Die Ohrfeige traf sie so unerwartet, dass Elin erschr o cken zurücktaumelte. Entsetzt tastete sie nach ihrer bre n nenden Wange. Lovisa hatte sich umgewandt.
    »Das Traurige ist nicht, dass du ein Hurenkind bist«, sagte sie mit erstickter Stimme. »Das Traurige ist, dass du dich wie ein solches benimmst.«
    Der Abend an der Festtafel verlief für Elin wie ein B e such am Pranger. Ebbas mitleidiger Blick war die har m loseste Reaktion. Monsieur Tervué verließ demonstrativ den Tisch. Die Gerüchteküche kochte offenbar gut. Vor allem die adligen Mädchen, inzwischen fast alle anstä n dig verheiratet, schienen nur auf die Gelegenheit gewa r tet zu haben, das Feuer zu eröff n en. Kristina ließ sich nichts anmerken, sie plauderte mit Ebba und Elin, o b wohl Elin der scharfe Unterton nicht entging. Auf Silbe r platten wurden rote Flusskrebse serviert. Mit brennenden Wangen beugte sich Elin über ihren Teller und bemühte sich, das Getuschel hinter den Fächern zu überhören. »Hure«, zischte es über den Tisch. Ungerührt griff die Königin zu ihrem Weinglas. »Das hast du dir selbst z u zuschreiben«, raunte sie Elin zu.
    Natürlich war es nicht das letzte Wort, das in dieser Sache gesprochen wurde. Am nächsten Tag zitierte Kri s tina Elin in ihre Kanzlei.
    »Du kannst dir hier einiges erlauben, aber kein u n züchtiges Verhalten. Ich lege Wert auf Tugend und A n stand.«
    »Warum werde ich behandelt wie eine Verbrecherin ? Wenn Monsieur Tervué sich als Moralapostel aufspielen will, müsste man auch über Henri tuscheln. Wir waren immerhin zu zweit.«
    »Stellst du dich so dumm? Du bist eine Frau. Und du hast dein Mieder aufgeschnürt und ihn geküsst.«
    »Was ist dabei, jemanden zu küssen? Ausgerechnet Sie machen mir Vorwürfe!«
    Kristinas Mundwinkel zitterten, dann konnte sie sich ein Lächeln nicht verkneifen. Seufzend schüttelte sie den Kopf.
    »Die Liebe, Elin. In deinem Fall ist es nur die Verbi n dung von Sommerluft und deiner Jugend. Aber ich ve r stehe dich besser, als du denkst. Als ich siebzehn war, habe ich Karl Gustav leidenschaftlich geliebt – trotzdem glaube ich nicht, dass Henri die richtige Wahl für solche Eskapaden ist. Was ist mit deinem Hampus?«
    »Er ist ein Freund! Wie oft muss ich das denn noch wiederholen? Und was ist mit den Grenzen, von denen Sie mir erzählt haben? Wir schaffen sie uns selbst.«
    Plötzlich sah die Königin müde aus.
    »Ach, Elin. An den Wänden alter Konventionen wirst du dir nur den Kopf einrennen. Lerne nach den Regeln zu spielen, bevor du sie brichst.«
    »Aber …«
    »Ich werde die Gerüchte dementieren und Monsieur Tervue bitten, über den Vorfall zu schweigen. Dann muss ich darauf bestehen, dass du Monsieur Henri nicht mehr triffst. Du wirst sehen, das Gefühl verfliegt, der Rausch geht vorbei. Und ich brauche dich hier in der Bibli o thek.«
    Elin dachte an Henri und schluckte schwer. Das war nicht die Kristina, die ihr nahe stand – unmerklich hatte sich etwas zwischen sie geschoben. Es war nicht dicker als ein Theatervorhang, dennoch fühlte sich Elin ausg e grenzt und allein.
    »Hast du verstanden ? «
    »Ja, Majestät«, sagte sie leise.
    Die Wogen glätteten sich nur langsam. Während dra u ßen die Sonne schien, erledigte Elin ihre Arbeit in der Bibliothek und lernte verbissener denn je. Nachts träumte sie von Henri, sehnte sich so sehr nach ihm, dass es schmerzte, und fragte sich, ob er auch an sie dachte. E i nes Tages, als sie Enhörning für einen Ausritt mit Lars sattelte, trat ein Stallknecht neben sie. »Schauen Sie in das Geheimfach Ihres Sattels«, flüsterte er. Elin klappte das Leder zurück. Ein ganzer Schmetterlingsschwarm erhob sich in ihrem Bauch, als sie einen Brief fand. Er war von Henri.
    Wie vereinbart, hatte sich Elin nach Mitternacht aus dem Schloss geschlichen. Es war nicht schwer gewesen, durch die Gewölbekeller über den Bootsanleger nach draußen zu gelangen. Eine glühende Sommernacht ließ den Mälarsee leuchten. Elin war sogar noch aufgeregter als damals, als sie den Brief an Adler Salvius überbri n gen sollte. Sie lief durch die Gassen zum Hinterhof in der Skomakargatan. Dort hatte sie einen Diener erwartet, aber die Gestalt im Mauerschatten war Henri! Als er Elin entdeckte, ging in seinem Gesicht die Sonne auf. Er ließ die Zügel

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