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Der Spiegel im Spiegel

Der Spiegel im Spiegel

Titel: Der Spiegel im Spiegel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Ende
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Weib lächelt, ihre Augen glänzen lüstern. Sie hockt sich zu ihm und bettet seinen Kopf auf ihren Schoß. Fingernägel aus schwarzem Silber gleiten zärtlich und grausam durch sein Haar. Der Mann stöhnt: «Bist du stumm? Was machst du da?
    Laß mich!» «Ja», flüstert sie und fährt fort, ihn zu lausen, «ich bin stumm.» Der Mann läßt es geschehen, unfähig sich zu wehren. Auf seiner Stirn steht Schweiß. «Und ich», murmelt er, «bin blind.» «Man sieht es dir nicht an.» «Nein, nicht so. Nicht die Augen.» «Bei mir ist es auch nicht der Mund, der stumm ist.»
    Der Mann macht Anstrengung, sich aufzurichten. «Was tust du mit mir? Laß mich los! Ich will fort.» Aber sie drückt ihn nieder, und er gibt, halb schon aus eigenem Willen, nach.
    «Du bist angelangt», raunt sie ihm ins Ohr, «du bist endlich angelangt. Du kannst es daran merken, daß der Schmerz nachläßt.»
    Der Mann schließt die Augen und atmet tief und stoßweise, es klingt wie ein ungeborenes Schluchzen. «Du betrügst mich. Aber es ist mir schon gleich worum. Alles ist ein großer Betrug.» «Das sagen alle, die hier herkommen», flüstert das Weib. «Du bist das erste Mal hier, nicht wahr? Aber auch du bist wie alle. Du hast dich selbst betrogen, und deshalb meinst du nun, daß auch ich dich betrüge. Aber ich werde dir die Wahrheit sagen. Glaubst du, es macht einen Unterschied, ob du dich noch einen Tag, noch ein Jahr, noch hundert Lichtjahre weiterschleppst? Nichts wird sich mehr ändern. Weiter kommst du nicht mehr, so weit du auch gehst. Wozu willst du also fort? Bleib bei mir, ich werde dir wohltun, du wirst sehen.»
    Der Astronaut starrt sie an, ohne sie zu sehen. «Ich kenne dich nicht. Wer bist du?»
    «Da du wie alle bist, bin ich wie jeda», antwortet sie, und ihr leises Lachen klingt wie ferne Schreie. «Und darum wirst du dir von mir helfen lassen.»
    Eine Zeitlang wirft der Mann seinen Kopf hin und her wie ein Fieberkranker. Unter dem Spiel ihrer kundigen Finger in seinem Haar wird er langsam ruhiger. Sein Gesicht, noch immer von diesem idiotischen Lächeln verquollen, ist fast so weiß geworden wie das ihre. Wenn er nicht hin und wieder krampfhaft atmete, könnte man ihn für tot halten.
    Den Knaben fröstelt. «Was tut sie? Wird sie ihm wirklich helfen?» Er blickt zum Dschin hinauf, doch an dessen Stelle antwortet der Straßenkehrer: «Ja, auf ihre Art, Junge. Sie ist eine Trösterin. Achte auf ihre Finger! Sie nimmt ihm den Schmerz! Er wird nicht mehr daran leiden, und sie wird davon satt. Für kurze Zeit jedenfalls. Am Ende wird er niemand sein.»
    Der Mann liegt ganz still. Seine Augen suchen die des Kindes. Seine lächelnden Lippen bleiben fest geschlossen, dennoch hört der Knabe des Mannes Stimme: «Ich habe das Paradies gesucht.» Danach entsteht eine lange Stille, und der Knabe hört nichts mehr als das Pochen seines eigenen Herzens. Schließlich flüstert die Hure: «Du hast es natürlich nicht gefunden, weil es nicht existiert. Und nun hast du alle Hoffnung verloren, ist es nicht so?»
    Der Mann hält den Blick des Kindes mit dem seinen fest. Seine Stimme klingt fast gelassen vor Unglück. «Hätte ich es nicht gefunden, so hätte ich die Hoffnung niemals verloren.»
    Die schwarzsilbernen Fingernägel kämmen und kämmen durch sein Haar. «Sprich nur! Erzähle mir alles!» Und der Knabe, immer noch eingeschlossen in den Blick des Mannes wie in eine Falle, hört dessen Stimme sagen: «Ich hätte weiter gesucht bis ans Ende meines Lebens. Und ich wäre glücklich gestorben, ohne je daran zu zweifeln, daß es irgendwo einen Ort gibt, wo alles schön und alles vollkommen ist. Und ich hätte es gut geheißen, daß niemand ihn finden kann.»
    Die Stimme der Trösterin ist sanft wie der Biß eines Blutegels. «Warum hast du ihn dann gesucht?»
    Als hätte dieser gefragt, antwortet der Mann dem Knaben: «Es war das Heimweh, und es war so groß, daß mir keine Wahl blieb, etwas anderes zu tun. Mir war nicht wichtig, hineinzugelangen. Nur einen einzigen Blick in die vollkommene Schönheit wollte ich werfen. Die Gewißheit, daß es sie gibt, wäre mir genug gewesen für alle Ewigkeit.»
    «Aber nun hast du es doch gefunden, das Paradies», raunt die Hure und fährt immer fort, sein Haar zu durchsuchen. «Sie haben dich eingelassen, nicht wahr?»
    Der Mann fährt so jäh empor, daß das graue Weib erschrocken zurückweicht, aber seine Stimme ist immer noch kalt und gleichgültig. «Mitten im Weltall», sagt er in den

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