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Der Spiegel von Feuer und Eis

Der Spiegel von Feuer und Eis

Titel: Der Spiegel von Feuer und Eis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Morrin Alex
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Botschaft empfangen zu werden, dass ein Reiter in der Nähe des Avaën gesehen worden war. Ein Reiter, der sich nach einer wilden Jagd quer durch den Wald in die Ebene hinab, keine hundert Schritte von den ersten Wachen des Heerlagers entfernt, in Schnee aufgelöst zu haben schien. Zornig schüttelte er seinen mächtigen Schädel. »Habe ich denn nur Stümper unter meinem Befehl? Warum sollte er ins Tal galoppieren, wenn sein Ziel der Avaën ist? Dilettanten! Ihr seid auf die älteste List hereingefallen, die es gibt. Mit einem Schattenbild hat er euch getäuscht, ihr Narren.« Ungehalten nahm er seine Wanderung wieder auf, blieb erneut stehen, nur um die Männer mit beängstigend schmalem Blick zu mustern. Schließlich schnaubte er verächtlich. »Geht mir aus den Augen! Ich werde mich selbst um ihn kümmern. – Stanias, sage Nagraitos und seinen
Männern, sie sollen sich bereit machen. Sie werden mich zum Avaën begleiten. Ich werde …«
    »Haranas!«
    Der General verstummte und wandte sich dem Mann zu, der bisher schweigend am Ende des Tisches gesessen hatte. »Mein Herr?« Ehrerbietig verneigte er sich.
    In den golddunklen Augen des Lords des Feuers schienen Flammen zu glimmen, als sein Blick sich auf Haranas richtete. »Dem Menschenmädchen darf nichts geschehen! – Und was ihn angeht: Bring ihn mir lebend!«
    »Wie Ihr wünscht, mein Herr!« Abermals verneigte der General sich, dann scheuchte er die betretenen Krieger aus dem Zelt und folgte ihnen mit schnellen Schritten. Auch wenn er nicht die Genugtuung haben würde, ihn zu töten: Heute Nacht würde er den Mörder seines ältesten Sohnes jagen.

    Sie setzte ein weiteres Stück an die schimmernde Fläche. Und obwohl es nicht die richtige Stelle für diese bestimmte Scherbe zu sein schien, passte sie auf unerklärlich falsche Art doch. Müde griff Cassim nach dem nächsten Splitter, legte ihn neben die scharf gezackte Seite eines anderen. Sie konnte sich selbst nicht erklären, woher sie wusste, welche der unzähligen Scherben zusammengehörten – zusammengehörten, obwohl sie nicht zueinanderpassten. Aber jedes Bruchstück, das sie ziellos aus den anderen auswählte, schien den Platz zu kennen, für den es bestimmt war – auch wenn es offensichtlich der falsche war. Über die Hälfte des Spiegels hatte sie so bereits wieder zusammengefügt.
    Zeit hatte jede Bedeutung verloren. Wie oft sie sich an den scharfen Kanten der Spiegelscherben geschnitten hatte, konnte Cassim nicht mehr zählen. Ein Firnis aus verschmiertem Rot
und salziger Nässe überzog die kalt glitzernde Fläche. Doch dieser Schmerz war nichts im Vergleich zu der Qual, die ihre Klauen in ihren Kopf grub, wann immer sie innehielt. Sie wusste, sie sollte sich weigern weiterzumachen. Sie wusste, sie sollte den Schmerz ertragen und lieber sterben, als die Macht der Eiskönigin für immer ins Unermessliche zu steigern – aber sie konnte es nicht. Sie hatte es versucht! Wollte sogar erneut davonlaufen, als ihr Folterknecht sie einmal für kurze Zeit allein gelassen hatte. Der Schmerz hatte sie zu Boden gezwungen und erst nachgelassen, als sie zu den Überresten des Spiegels zurückgekrochen war und mit zitternden Fingern eine weitere Scherbe aufnahm. In ihrer Verzweiflung hatte sie versucht, sich einen der größeren Splitter in die Kehle zu stoßen – die Qual hatte sie bewusstlos werden lassen, noch ehe sie die Hände auch nur zur Hälfte gehoben hatte.
    Inzwischen hatte sie aufgegeben.
    Mit dem Handrücken wischte sie sich die Tränen aus dem Gesicht, hinterließ dabei einen hellen roten Streifen auf ihrer Haut. Sie konnte nicht mehr sagen, warum sie weinte. Ob aus Verzweiflung oder Schmerz; ob aus Angst vor dem, was der Eisprinz mit ihr machen würde, wenn sie schließlich die letzte Scherbe an ihren Platz gesetzt hatte; ob aus Trauer um einen Mann, den es nie gegeben hatte und dem sie so viel mehr als nur vertraut hatte – oder ob ihre Tränen in Wahrheit die des Spiegels waren. Denn der Spiegel von Feuer und Eis weinte.
    Sie hatte seinen leisen Gesang vom ersten Augenblick an gespürt, kaum dass sie einen der Splitter in die Hand genommen hatte. Am Rand ihrer Sinne war er nur zu erahnen und doch da. Bruchstück für Bruchstück war er lauter geworden, deutlicher. Und dann hatte sie ihn verstanden. Sein Lied erzählte von dunkler, schwerer Erde, warm von langen Stunden unter der Sonne eines Sommertages. Erzählte vom Rauschen reifer Kornfelder, über die eine laue Brise hinwegstrich, in

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