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Der Spieler

Der Spieler

Titel: Der Spieler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fjodor M. Dostojewskij
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beherrschte, so daß ich sie meistens übersetzte. Die Antworten des Oberkellners fanden nur selten ihren Beifall und schienen ihr unbefriedigend. Aber sie fragte auch gleichsam nicht zur Sache, sondern zusammenhanglos. Plötzlich ließ sie zum Beispiel vor einem Gemälde halten, einer ziemlich schwachen Kopie eines berühmten Originals mit mythologischem Sujet.
    »Wessen Portrait ist das?«
    Der Oberkellner erklärte, es handele sich wahrscheinlich um eine Gräfin.
    »Das weißt du nicht? Du lebst hier und weißt das nicht. Warum hängt es hier? Warum schielt die?«
    Der Oberkellner war außerstande, alle diese Fragen zufriedenstellend zu beantworten, und wurde wirklich verlegen.
    »Dieser Dummkopf!« kommentierte Babuschka auf russisch.
    Sie wurde weitergeschoben. Dasselbe wiederholte sich bei einer kleinen Figur aus Meißner Porzellan, die Babuschka zuerst lange betrachtete und dann auf der Stelle entfernen ließ, wobei der Grund unbekannt blieb. Schließlich ließ sie nicht locker mit der Frage an den Oberkellner, wieviel die Teppiche im Schlafzimmer gekostet hätten und wo sie hergestellt würden? Der Oberkellner versprach, sich danach zu erkundigen.
    »Diese Esel!« knurrte Babuschka und widmete darauf ihr ganzes Interesse dem Bett.
    »Was für ein pompöser Himmel! Schlagt ihn mal zurück.«
    Das Bett wurde aufgeschlagen.
    »Weiter, weiter, ganz zurück. Kissen hochnehmen. Bezüge abziehen, Plumeau hochheben.«
    Jedes Stück wurde umgedreht. Babuschka musterte alles aufmerksam.
    »Es ist ein Glück, daß sie keine Wanzen haben. Die ganze Wäsche abziehen! Das Bett mit meiner eigenen Wäsche beziehen und meine Kissen auflegen. Eigentlich ist das alles viel zu prächtig, was soll ich altes Weib in einer solchen Wohnung: Man langweilt sich, wenn man allein ist. Alexej Iwanowitsch, du mußt mich häufiger besuchen, wenn du mit dem Unterricht der Kinder fertig bist.«
    »Ich bin seit gestern bei dem General nicht mehr in Stellung«, antwortete ich. »Ich wohne im Hotel ganz für mich.«
    »Wieso denn das?«
    »Dieser Tage ist hier ein vornehmer deutscher Baron mit seiner Gemahlin, der Baronin, aus Berlin angekommen. Ich hatte ihn gestern auf der Promenade deutsch angesprochen, mich aber nicht an die Berliner Aussprache gehalten.«
    »Na, und was weiter?«
    »Er hielt das für eine Dreistigkeit und beschwerte sich bei dem General, und der General hat mich noch gestern entlassen.«
    »Hast du den etwa beschimpft, den Baron, oder? (Und wenn du ihn auch beschimpft hättest, macht nichts!)«
    »Oh, nein. Ganz im Gegenteil, der Baron hat mich mit seinem Stock bedroht.«
    »Und du, du Jammerlappen, hast es dir gefallen lassen, daß man so mit deinem Lehrer umgeht«, wandte sie sich plötzlich an den General, »und hast ihn auch noch entlassen! Ihr seid Schlafmützen. Ihr seid Schlafmützen, Schlafmützen, einer wie der andere, das sehe ich schon.«
    »Machen Sie sich keine Sorgen, liebe Tante«, antwortete der General, in einem gewissen hochmütig-familiären Tonfall, »ich bin durchaus in der Lage, meine Angelegenheiten selbst zu regeln. Außerdem hat Alexej Iwanowitsch das Geschehen nicht ganz genau wiedergegeben.«
    »Und du hast es dir ohne weiteres gefallen lassen?« wandte sie sich an mich.
    »Ich war bereit, den Baron zu fordern«, antwortete ich möglichst bescheiden und gelassen, »aber der General war dagegen.«
    »Und warum warst du dagegen?« wandte sich die Großmutter an den General. (»Und du, mein Lieber, kannst gehen und kommst wieder, wenn man dich ruft«, damit meinte sie den Oberkellner; »es ist sinnlos, mit aufgesperrtem Maul hier rumzustehen. Ich kann diese Lebkuchenvisage nicht ausstehen!«) Der Oberkellner verbeugte sich und ging, natürlich ohne das Kompliment der Großmutter verstanden zu haben.
    »Ich bitte Sie, liebe Tante, ist ein Duell heute noch angebracht?« entgegnete der General mit einem spöttischen Lächeln.
    »Und warum soll es nicht angebracht sein? Die Männer sind allesamt Hähne; die sollen ruhig kämpfen. Ihr seid alle Schlafmützen, alle, wie ich euch so sehe, und könnt für euer Vaterland nicht eintreten. So, und jetzt hoch! Potapytsch, sorge dafür, daß zwei Männer ständig zur Stelle sind, besprich das, und mach es mit ihnen aus. Wir brauchen nicht mehr als zwei zum Tragen. Getragen werden muß nur auf den Treppen, auf der ebenen Erde, auf der Straße – da kann man rollen, das mußt du ihnen erklären; und sie auch im voraus bezahlen, damit sie mehr Achtung vor uns

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