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Der Spieler

Der Spieler

Titel: Der Spieler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fjodor M. Dostojewskij
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so bedeutend, verzichtet ihr wirklicher Besitzer sogar oft, vor einem Skandal zurückschreckend, auf eine Fortsetzung des Streits und entfernt sich. Gelingt es aber, den Dieb zu überführen, wird er mit Schimpf und Schande aus dem Saal verbannt.
    Dies alles beobachtete Babuschka aus einem gewissen Abstand, aber mit glühender Neugier. Es gefiel ihr sehr, daß Diebe hinausgeführt wurden. Trente et quarante fand sie nicht besonders spannend; das Roulette und das rollende Kügelchen gefielen ihr weit mehr. Schließlich wünschte sie, dieses Spiel aus der Nähe zu beobachten. Ich weiß nicht mehr, wie es zuging, aber einigen Lakaien und anderen eifrigen Agenten (vorwiegend Polen, die ihr Geld verspielt hatten und nun den glücklicheren Spielern und Ausländern ihre Hilfe aufdrängten) gelang es sofort, für Babuschka genau in der Mitte des Tisches, direkt neben den Hauptcroupiers, einen Platz zu finden, freizuhalten, ungeachtet des furchtbaren Gedränges, und sie in ihrem Rollstuhl dorthin zu schieben. Sofort drängte sich eine Vielzahl von Besuchern, die selbst nicht gesetzt, aber das Spiel beobachtet hatten (vorwiegend Engländer mit ihren Familien), zu diesem Tisch, um hinter den Spielern Babuschka zu erspähen. Zahlreiche Lorgnons richteten sich auf sie. Die Croupiers schöpften Hoffnung: Ein dermaßen exzentrischer Spieler schien tatsächlich Außerordentliches zu versprechen. Eine siebzigjährige Frau im Rollstuhl, die zu spielen wünscht – das war kein alltäglicher Fall. Ich drängte mich ebenfalls an den Tisch und bezog Position neben Babuschka. Potapytsch und Marfa standen irgendwo weit abseits, im Gedränge. Der General, Polina, des Grieux und Mademoiselle Blanche hielten sich gleichfalls abseits unter den Zuschauern auf.
    Babuschka musterte zuerst die Spieler. Sie überschüttete mich mit scharfen, abgehackten, halb geflüsterten Fragen: Was ist das für einer? Und was ist die für eine? Einen besonderen Gefallen fand sie an einem ganz jungen Mann, der am anderen Tischende sehr hoch spielte, mit Einsätzen von Tausendern, und bereits, wie ringsum geflüstert wurde, schon an die vierzigtausend Francs gewonnen hatte, die vor ihm aufgehäuft lagen, in Gold und Scheinen. Er war bleich; seine Augen funkelten, seine Hände zitterten; er setzte schon ohne jedes Nachdenken, soviel er mit der Hand greifen konnte, indessen gewann er wieder und wieder, und scharrte und scharrte das Geld zusammen. Die Saaldiener waren um ihn emsig bemüht, rückten ihm von hinten einen Lehnstuhl heran, sorgten dafür, daß er sich weniger beengt fühlte und nicht gestoßen wurde – alles in Erwartung einer großzügigen Belohnung. Manche Spieler, die größere Summen gewinnen, geben gelegentlich Trinkgeld, ohne es abzuzählen, einfach so, aus lauter Freude, so viel, wie sie mit der Hand in der Tasche zu fassen bekommen. An der Seite des jungen Mannes hatte sich bereits ein kleiner Pole niedergelassen, der sich emsig um ihn bemühte und ehrerbietig, aber ununterbrochen ihm ins Ohr flüsterte, wahrscheinlich Ratschläge und Korrekturen zum Spiel – ebenfalls in Erwartung einer darauf folgenden angemessenen Zuwendung. Aber der Spieler würdigte ihn kaum eines Blicks, setzte blindlings und strich immer weiter ein. Er war offenbar kaum bei Sinnen.
    Babuschka beobachtete ihn einige Minuten lang.
    »Sag ihm«, plötzlich fuhr Babuschka erregt auf und stieß mich an, »sag ihm, er soll Schluß machen, sag ihm, er soll sein Geld so schnell wie möglich verstauen und gehen. Er wird es verspielen, er wird im nächsten Augenblick alles verspielen!« Vor lauter Aufregung bekam sie kaum noch Luft. »Wo ist Potapytsch? Man soll Potapytsch zu ihm schicken! Aber sag es ihm doch, sag ihm doch«, sie stieß mich immer wieder an. »Wirklich, wo steckt denn dieser Potapytsch! Sortez! Sortez! « rief sie nun selber dem jungen Mann zu. Ich beugte mich zu ihr und flüsterte ihr sehr bestimmt zu, daß hier ein so lautes Rufen verboten und sogar eine Unterhaltung mit voller Stimme nicht erlaubt sei, weil man dabei nicht rechnen könne, und daß man uns im nächsten Augenblick hinausweisen würde.
    »Wie ärgerlich! Der Mensch ist verloren, das heißt, es ist ja sein Wille … ich mag ihn gar nicht ansehen, mir wird richtig schwindlig. Dieser Dummkopf!« – und Babuschka wandte sich schnell der anderen Seite zu.
    Dort, links, am anderen Ende des Tisches, fiel unter den Spielern eine junge Dame auf, und an ihrer Seite ein Zwerg. Wer dieser Zwerg war,

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