Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Spieler

Der Spieler

Titel: Der Spieler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fjodor M. Dostojewskij
Vom Netzwerk:
haben. Du selbst mußt immer an meiner Seite bleiben, und du, Alexej Iwanowitsch, wirst mir diesen Baron auf der Promenade zeigen: Was ist das für ein von Baron, den möchte ich wenigstens angucken. Na also, wo ist denn dieses Roulette?«
    Ich erklärte, daß die Roulettetische sich im Kurhaus befänden, in den Sälen. Darauf folgten weitere Fragen: Wie viele solcher Tische gibt es? Wie viele Spieler beteiligen sich an einem Spiel? Wird den ganzen Tag gespielt? Wie sind diese Tische eingerichtet? Schließlich antwortete ich, daß man am besten alles mit eigenen Augen ansehen solle und eine richtige Beschreibung ziemlich kompliziert sei.
    »Dann bringt mich sofort hin! Du gehst uns voran, Alexej Iwanowitsch!«
    »Aber wie soll das gehen, liebe Tante, möchten Sie nicht einmal von der Reise ausruhen?« fragte der General besorgt. Er wurde sichtlich unruhig, auch die anderen machten einen irgendwie hilflosen Eindruck und sahen einander immer wieder verlegen an. Wahrscheinlich fanden sie es einigermaßen peinlich, sogar fatal, Babuschka geradewegs ins Kurhaus zu begleiten, wo sie, versteht sich, durch allerlei Exzentrisches auffallen müßte, aber nun in aller Öffentlichkeit, indessen hatten sie sich alle aus freien Stücken erboten, sie zu begleiten.
    »Warum sollte ich mich ausruhen? Ich bin doch nicht müde. Ich habe ohnehin fünf Tage nur still herumgesessen. Und danach wollen wir uns ansehen, was für Quellen hier sind und wo man das Heilwasser trinkt. Und dann … dann gibt es hier auch … wie heißt das doch … Hast du, Praskowja, nicht gesagt ›der Point‹? Ist das richtig?«
    »Ja, der Point, Babuschka.«
    »Also, der Point. Meinetwegen der Point. Und was gibt es hier noch?«
    »Hier gibt es viele Sehenswürdigkeiten …«, Polina fiel nichts mehr ein.
    »Na also, du weißt es selber nicht! Marfa, du kommst mit«, sagte sie zu ihrer Zofe.
    »Aber was soll denn sie dabei, liebe Tante?« Der General geriet plötzlich in große Aufregung. »Das ist einfach unmöglich; auch Ihren Potapytsch wird man kaum in das Kurhaus hereinlassen.«
    »Quatsch! Bloß weil sie eine Dienerin ist, soll ich sie einfach wegschicken! Sie ist doch auch ein lebendiger Mensch! Wir treiben uns bereits seit einer ganzen Woche in der Welt herum, es ist doch verständlich, daß auch sie etwas sehen möchte. Mit wem könnte sie so etwas wagen, außer mit meiner Person? Sie wird doch alleine nicht einmal die Nasenspitze zum Fenster hinausstrecken.«
    »Aber Babuschka …«
    »Genierst du dich etwa, dich in meiner Begleitung zu zeigen? Dann bleib eben zu Hause, du bist sowieso überflüssig. Du bist mir ein schöner General, ich bin ja auch selber Generalin. Warum wollt ihr mir alle auf Schritt und Tritt folgen, wie ein Schwanz? Ich kann mir mit Alexej Iwanowitsch allein alles ansehen …«
    Aber des Grieux bestand mit Entschiedenheit darauf, daß alle sie begleiten müßten, und erging sich in liebenswürdigsten Worten über das Vergnügen, sie zu begleiten, und so weiter. Unser Zug setzte sich in Bewegung.
    » Elle est tombée en enfance «, wiederholte des Grieux, zum General gewandt. » Seule, elle fera des bêtises  …« Weiteres entging mir, aber in ihm keimten offensichtlich irgendwelche neuen Pläne, womöglich regten sich auch neue Hoffnungen.
    Bis zum Kurhaus hatten wir eine halbe Werst zu gehen. Unser Weg führte durch die Kastanienallee zu dem Square, hinter dem der Eingang zum Kurhaus lag. Der General hatte sich ein wenig beruhigt, denn unsere Prozession wirkte zwar ziemlich exzentrisch, aber dennoch recht sittsam und hoch anständig. Die Tatsache, daß in einem Heilbad ein kranker, geschwächter, gelähmter Mensch auftauchte, hatte an sich nichts Erstaunliches. Aber der General scheute offensichtlich das Casino: Was sollte ein kranker Mensch, gelähmt und noch dazu eine alte Dame, am Roulettetisch? Polina und Mademoiselle Blanche flankierten den Rollstuhl. Mademoiselle Blanche lachte, war bei aller Zurückhaltung gut gelaunt und erlaubte sich gelegentlich einen liebenswürdigen Scherz mit Babuschka. Polina, auf der anderen Seite, fiel die Aufgabe zu, jeden Augenblick auf die unzähligen Fragen der Großmutter zu antworten. Zum Beispiel: »Wer ist da gerade vorbeigegangen? Wer ist die Frau, die gerade vorbeifährt? Wie groß ist die Stadt? Wie groß ist der Garten? Wie heißen diese Bäume? Was sind das für Berge? Gibt es hier Adler, fliegen sie herum? Was ist das für ein komisches Dach?« Mister Astley, der neben mir

Weitere Kostenlose Bücher