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Der Spinnenkrieg

Der Spinnenkrieg

Titel: Der Spinnenkrieg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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im allerersten Augenblick nicht einmal glaubte: Kias hatte sich neben ihr auf drei seiner sechs Glieder hochgestemmt und versuchte auf das Steuerpult zuzukriechen, aber es gelang ihm nicht. An seinem rechten Bein hing ein blutüberströmter Zwerg, der mit einer Hand seinen Fuß umklammerte und mit der anderen immer und immer wieder auf das dünne Insektenbein darüber einschlug. Gurks Gesicht war verzerrt, und er hatte nun wirklich Schaum vor dem Mund, der hellrosa gefärbt war. Charity stand auf, kämpfte einen Moment lang überrascht um ihr Gleichgewicht, als sie etwas zu spät begriff, daß der Boden des Steuerraumes nicht mehr eben war, sondern sich in eine abschüssige Rampe verwandelt hatte. Dann zerrte sie Gurk von dem Moroni fort; nicht einmal so sehr, um Kias zu helfen. Sie bezweifelte, daß das riesige Insekt die Faustschläge des Gnoms überhaupt spürte. Aber Kias war ebenso benommen wie sie oder Stone. Wenn er sich ganz instinktiv zur Wehr setzte, konnte das Gurks Tod bedeuten. Nein, das konnte es nicht. Gurk würde nicht sterben, er konnte nicht sterben, ganz egal, was seinem Körper ge… Der Gedanke brach so abrupt ab, als hätte jemand einen Schalter hinter ihrer Stirn umgelegt, und Charity blieb mit einem Gefühl tiefer Verwirrung zurück. Was war das? Für einen Moment hatte sie das Gefühl gehabt, als ob sich in ihren Gedanken eine Tür auftat, um ihr einen Blick in einen Teil ihres Gedächtnisses zu gewähren, der ihr für gewöhnlich immer verschlossen blieb. Gurk nutzte den winzigen Moment, in dem sie abgelenkt war, um sich loszureißen – und sich sofort wieder auf den Moroni zu stürzen. Seine Lippen bewegten sich. Das Netz! Es wird zusammenbrechen! Ihr Wahnsinnigen! Sie las die Worte von seinen Lippen. Es waren die gleichen, die er auch geschrien hatte, ehe das Chaos über das kleine Schiff und seine Besatzung hereinbrach. Völlig außer Rand und Band schlug und trat er immer wieder auf den Chitinpanzer des Rieseninsekts ein. Kias versuchte seinen Hieben auszuweichen, so gut er konnte, verzichtete aber zu Charitys Erleichterung darauf, sich zu wehren, so daß es ihr schließlich gelang, den Zwerg im wesentlichen unverletzt von der riesigen Ameise herunterzuzerren. Durch ihren ersten Fehler gewarnt, packte sie diesmal fester zu. Nach einigen Augenblicken stellte der Zwerg seinen Widerstand ein. Sie registrierte eine Bewegung aus den Augenwinkeln und sah, daß auch Skudder sich wieder erhoben hatte. Er wankte, und als er den linken Fuß belastete, verzerrte sich sein Gesicht vor Schmerz; er konnte aber aus eigener Kraft stehen. Sie sah, wie sich seine Lippen bewegten, zuckte zur Antwort mit den Schultern und berührte mit der freien Hand ihr Ohr. »Tut mir leid«, sagte sie. »Aber ich höre nichts.« Seltsam – sie hatte nicht einmal mehr ein Gefühl für ihre eigene Stimme. Skudder runzelte die Stirn, legte den Kopf auf die Seite und sah sie fragend an. Wieder bewegten sich seine Lippen, und plötzlich machte sich ein Ausdruck von Schrecken auf seinem Gesicht breit. Er sagte etwas. Sie konnte sehen, daß er schrie. Charity hörte nichts – aber ganz plötzlich wurde ihr klar, daß auch Skudder den Klang seiner eigenen Stimme nicht hörte! Mit einem Ruck drehte sie sich zu Stone herum. Der ehemalige Gouverneur der Erde hatte sich aufgesetzt und blickte abwechselnd sie und Skudder an, und auch auf seinem Gesicht hatte sich derselbe, fassungslose Schrecken breitgemacht wie auf dem Antlitz des Hopi. Er starrte sie an, dann hob er die Arme vor das Gesicht und klatschte in die Hände. Charity mußte nicht einmal mehr das Entsetzen in seinen Augen sehen, um zu begreifen, daß auch er nichts hörte. Vorsichtig setzte sie Abn El Gurk wieder auf die Füße. Der Zwerg schien die Botschaft verstanden zu haben, denn er versuchte nicht noch einmal, sich auf den Moroni zu stürzen. Charity berührte mit den Fingern ihr Ohr und blickte fragend. Gurk schüttelte den Kopf. Auch er hörte nichts. Das konnte im Grunde nur eines bedeuten, dachte Charity schaudernd: daß sie alle vier von plötzlicher Taubheit befallen waren, war mehr als unwahrscheinlich. Die wahrscheinlich vollkommen verrückte Erklärung war, daß es keine Geräusche mehr gab! Sie fuhr herum, starrte auf den Schirm und sah nichts außer Flammen und Glas, das über das Steuerpult verstreut war. Eine ölige Flüssigkeit tropfte aus einem Riß in der Wand und verquoll auf dem Pult. Das Metall mußte glühend heiß sein –

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