Der Spinnenkrieg
mich allmählich, ob Skudder nicht vielleicht recht hat.« »Ich übernehme überhaupt nichts«, antwortete Stone. »Kias hat mich gebeten, mit Ihnen zu reden, das ist alles. Sie müssen uns nicht helfen.« Er machte eine zornige Handbewegung zur Tür. »Sie sind frei. Sie und Skudder können tun und lassen, was immer sie wollen. Sie können hierbleiben und uns helfen, die Erde endgültig zu befreien, oder aber gehen. Überlassen Sie es Kias und seinen Leuten, den Shait zu vernichten. Ich zweifle nicht daran, daß es ihnen auch allein gelingen wird. Aber beschweren sie sich danach über nichts!« Charity kochte innerlich vor Wut. Aber sie beherrschte sich. Das Schlimmste war, daß Stone recht hatte. Sie konnte sich nicht über Dinge beklagen, die zu ändern vielleicht in ihrer Macht stand. »Also?« fragte sie gepreßt. »Was sollen wir tun?« Stone beherrschte sich meisterhaft, aber Charity spürte seine Erleichterung. »Im Moment gar nichts«, antwortete er. »Ich erkläre Ihnen alles später, wenn Sie sich einen ersten Überblick über die aktuelle Situation verschafft haben. Ihre unmittelbare Hilfe brauchen wir später – sobald Kias’ Leute das Versteck des Shait ausfindig gemacht haben.« »Wieso?« fragte Charity mißtrauisch. »Die Jared könnten sich diesem Geschöpf nicht einmal auf eine Meile nähern, ohne entdeckt zu werden«, sagte Stone. »Aber irgend jemand muß es schließlich erledigen, oder?«
Kapitel 6
Das Bild hätte tatsächlich aus Dantes Inferno stammen können, nur daß es farbig und dreidimensional und wirklich war – und viel entsetzlicher, als jede menschliche Phantasie sich hätte ausmalen können. Hartmanns Herz jagte. Seine Hände und seine Stirn waren feucht vor Schweiß, und es gelang ihm trotz aller Anstrengung nicht, die irrationale Furcht zu vertreiben, mit der ihn der Anblick des höllischen Pfuhls erfüllte. Obwohl es ihm seit länger als einer Minute nicht gelungen war, den Blick von dem schrecklichen Bild loszureißen, spürte er, daß es Net, die neben ihm stand, ebenso erging. Ihr Atem ging schnell und schwer, und sie hatte eine Hand vom Lauf ihres Gewehres gelöst und auf seinen Arm gelegt, so daß er das Beben ihrer Finger spüren konnte. Unter ihnen lag ein kreisrunder, von blutrotem Licht erfüllter Schacht, dessen Wände senkrecht in die Tiefe stürzten und der mit brennender Lava und dem Flimmern kochender Luft gefüllt war. Der ätzende Geruch des flüssigen Steines war so durchdringend, daß Hartmann kaum noch atmen konnte, und die Hitze trieb ihm den Schweiß auf die Stirn. Trotzdem hätte ihn dieser Anblick allein allenfalls mit Interesse erfüllt, vielleicht mit Angst vor der rein physischen Gefahr, die von dem lavagefüllten Schacht ausging. Nein – was es ihm immer schwerer machte, einen entsetzten Schrei zu unterdrücken, herumzufahren und einfach in die Dunkelheit davonzustürzen, so weit er konnte, das war der Anblick der grotesken Kreatur, die in fünfzig oder sechzig Metern Entfernung am Rande dieses Schachtes hockte. Hartmann konnte sie nicht einmal wirklich erkennen. Das flackernde rote Licht und das Flimmern der überhitzten Luft verzerrte ihre Umrisse und ließ sie vermutlich größer und unheimlicher erscheinen, als sie war, und die ätzenden Dämpfe, die aus der Tiefe emporstiegen, trieben ihm die Tränen in die Augen, so daß er nur wie durch einen Schleier hindurch sah. Aber was er erkannte, war fast mehr, als er verkraften konnte. Hinter dem monströsen Umriß bewegte sich eine Anzahl Ameisen, so daß er seine Größe zumindest ungefähr schätzen konnte. Es war gewaltig. Der aufgedunsene Leib, der sich nicht nur im Ganzen, sondern auf widerwärtige Weise auch in sich selbst unentwegt zu bewegen schien, hockte zwischen einem Paar gewaltiger, unentwegt pumpender Flügel, die dem schwarzen Giganten eine gewisse Ähnlichkeit mit einer monströs verkrüppelten Fledermaus verlieh. Sein Kopf war riesig und schien nur aus Augen und anderen Sinnesorganen zu bestehen. Dort, wo er das Maul erwartet hatte, entsprang ein ganzer Wald dünner, unentwegt zuckender Tentakel. Krallen blitzten im roten Licht. »Was ist los?« drang Kyles Stimme in den Nebel von Furcht und Entsetzen, der sich über Hartmanns Denken gelegt hatte. Hartmann antwortete nicht. So unbeschreiblich der Anblick des Titanen war, so sehr schlug er ihn auch zugleich in seinen Bann. Es war ihm unmöglich, wegzusehen. Es war ihm nicht einmal möglich, an irgend etwas anderes
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