Der Spinnenmann
erstes auf den Gastgeber los.«
»Hör auf mit dem Schauspiel, Enger!«, rief ich außer mir vor Angst. »Kannst du nicht lieber offen sagen, dass du mich erschießen willst?«
»Dich erschießen?« Enger spannte den Revolverhahn.
»Wie kommst du denn auf den Gedanken? Hast du das gehört, Birger? Unser Freund hier hat ja seltsame Ideen.«
Bays Antwort war ein harter Schlag auf meine Nasenwurzel.
»Er hält sich für verdammt clever«, fauchte er. »Ich wollte ihm klarmachen, dass er die Finger aus unseren Angelegenheiten zu lassen hat. Aber nach diese Nummer habe ich nicht übel Lust, ihn umzubringen.«
Bay stieg aus dem Auto.
»Na gut, Jungs, gebt uns mal Licht!«
Zwei riesige Scheinwerfer wurden gleichzeitig eingeschaltet. Die Wirkung war umwerfend. Ich konnte eine große Anzahl von Menschen außerhalb des Lichtkreises sehen, konnte sie aber nicht erkennen. Ich kam mir vor wie umgeben von drohenden Schatten, einem Tribunal aus gesichtslosen Phantomen. Zugleich bekam ich einen gewissen Eindruck von den Verletzungen, die Bay mir zugefügt hatte. Mein Hemd war von Nasenblut durchtränkt.
»Holt ihn aus dem Auto, Jungs!«, befahl Bay.
Die »Jungs« befolgten diesen Befehl mit vorbildlichem Eifer. Ich wurde aus dem Auto gezerrt und Bay vor die Füße geworfen. Die Trag- und Schleppmannschaft verschmolz mit den Schatten, ehe ich sie mir richtig ansehen konnte.
Ich blickte zu Bay hoch. Er steckte sich eine Zigarette in den Mund und zündete sie an.
»Und jetzt erzähl mir, für wen du arbeitest, Erfjord«, sagte er.
»Für wen ich arbeite? Ich bin Journalist, das weißt du doch wohl.«
Bay lächelte höhnisch. »Aber sicher doch. Du schreibst für Arbeiderbladet, das weiß ich schon. Aber du gehörst du denen, die zwei Herren dienen, nicht wahr?«
»Und neben Martin Tranmsel, da denkst du an …«
»Hans von Manteuffel.«
Ich konnte mich auf alle Viere quälen. »Wen?«
Bay gab Enger ein Zeichen, und der trat neben ihn. Er hielt den Revolver in der Hand, zielte aber nicht auf mich.
»Ich mache keine Witze«, sagte ich verzweifelt. »Ich habe keine Ahnung, wen du meinst.«
»Hans von Manteuffel ist ein Kunstsammler. Aus Deutschland.«
»Nagut…«
»Du weißt genau, wen ich meine. Mir ist berichtet worden, dass du es ganz schön eilig hattest, als du vor Kurzem Manteuffel hier auf dem Lilletorg gesehen hast.«
Der Spinnenmann also. Natürlich musste Straken Bay von meinem Interesse für diesen Kerl erzählt haben!
»Das bedeutet nicht, dass ich ihn kenne«, sagte ich. »Im Gegenteil, ich habe nie mit ihm geredet.«
»Warum bist du ihm dann nachgelaufen?«
Das war schwieriger zu beantworten.
»Naja, du weißt schon. Ich fand ihn wohl irgendwie komisch …«
Bay lachte laut.
»Ja, so arbeitet wohl ein Kriminalreporter, stelle ich mir vor. Sowie du einen komischen Typen siehst, rennst du hinter ihm her, um zu sehen, was er so ausheckt.«
Plötzlich holte er mit dem Bein aus und versetzte mir einen heftigen Tritt gegen die Schulter. Ich biss mir in die Lippe, um nicht aufzuschreien, ich hatte das Gefühl, als sei jeder Knochen in Schulter und Oberarm gebrochen. Ich hätte mich fast übergeben.
»Dann erklär mir das mal«, sagte Bay unbeeindruckt. »Kaum bedroht Manteuffel uns mit dem Tod, schon tauchst du in Fredriksens Büro auf.«
»Das war ein purer Zufall«, stöhnte ich. »Ich wollte Fredriksen nur ein paar Fragen stellen …«
Enger trat mir in die Seite. Jetzt versuchte ich nicht mehr, stark und mutig zu sein. Ich krümmte mich auf dem Boden in Embryostellung und heulte vor Schmerz.
»Scheiß auf euch! Ihr lasst mich ja nicht mal ausreden!«
»Weil du lügst!«, brüllte Bay. »Und ich habe keine Zeit für Lügen. Versuch lieber, die Wahrheit zu sagen. Manteuffel hat dir aufgetragen, Fredriksen den Ernst der Lage klarzumachen, und sicherheitshalber hast du ihn umgebracht!«
»Herrgott, Bay, das ist doch der pure Blödsinn. Du kannst nicht beweisen, dass ich Fredriksen umgebracht habe. Du kannst nicht einmal behaupten, dass ich Manteuffel kenne, denn das tue ich nämlich nicht.«
Bay packte meine Jacke und zog mich auf die Beine. »Nicht? Ich kann jedenfalls beweisen, dass du mit Manteuffel gemeinsame Bekannte hast. Oder willst du auch bestreiten, dass du vor Kurzem mit Lennart Winther im Molla zusammen warst?«
»Winther ist ein alter Freund. Ich weiß nichts darüber, was er mit diesem Deutschen zu tun hast«, log ich.
»Ja, ja«, sagte Bay. »Dir ging es nur um Interviews.
Weitere Kostenlose Bücher