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Der Spinnenmann

Der Spinnenmann

Titel: Der Spinnenmann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Terje Emberland
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der Sportabteilung eingelassen hatte. Mr. George schien erfreut.
    »Ich habe bereits mit Tranmael geredet«, fügte er hinzu. »Wir haben uns geeinigt, dass du nach Neujahr zu mir zurückkommst.«
    Mehr wurde über diese Angelegenheit nicht gesagt. Überhaupt war ich während des Essens so schweigsam, dass Mr. George wohl glauben musste, ich sei tief im Innern gar nicht so glücklich über sein Angebot. Doch das war nicht der Grund. Ich hatte gehofft, mit ihm über Kiss’ Verschwinden reden zu können. Doch als ich jetzt die Möglichkeit bekam, wurde mir klar, dass er nicht der Richtige war, dem ich mich anvertrauen konnte. Mr. George wäre an die Decke gegangen, wenn ich behauptet hätte, dass Sveen und Riisnaes den Mann beschützten, der Kiss entführt hatte. Zwar war er durchaus bereit, die beiden zu kritisieren, doch ihre Rechtschaffenheit und Professionalität in Zweifel zu ziehen - diese Grenze wollte mein Lehrmeister nicht überschreiten.
    Nach dem Essen kramte er seine Stummelpfeife hervor und lehnte sich zurück. »Wenn man bedenkt, dass es schon fast ein Jahr her ist, seit wir am Grev Wedels plass standen und den alten Dodge mit Rustads Leichnam betrachteten«, sagte er. »Damals war ich sicher, dass dieses Mysterium in kürzester Zeit gelöst werden könnte. Aber nun …«
    Nachdenklich schüttelte er den Kopf.
    »Du glaubst nicht, dass der Rustad-Mord irgendwann aufgeklärt wird?«
    »Wir müssen damit rechnen, dass es ungelöste Mordfälle gibt, auch wenn das in diesem Land nicht häufig vorkommt. Soweit ich mich erinnere, gab es hier nur den Äsheim-Fall und den Bjornerud-Mord, und diese Sachen liegen schon viele Jahre zurück. Seitdem ich als Kriminalreporter arbeite, habe ich es kein einziges Mal erlebt, dass ein Mörder entkommt. Doch dann geschehen innerhalb weniger Tage der Rustad-Mord und der Brand in der Dronningens gate, zwei Fälle, bei denen die Polizei noch immer im Dunkeln tappt. Ein seltsamer Zufall, findest du nicht?«
    »Doch, ja …«
    Mr. George zündete seine Pfeife an und musterte mich durch den Tabaksqualm. »Oder vielleicht doch nicht?«
    »Was meinst du?«
    »Ich glaube, die Fälle hängen zusammen. Dahinter stecken dieselben Personen.«
    Einen Moment lang glaubte ich, dass Sveen ihm von meinem Verdacht gegenüber Lennart erzählt hatte. Doch dann sagte er: »Birger Bay, Martin Enger, Tore Schröder. Diese Bande weiß mehr über den Mord an Rustad, als sie zu sagen bereit ist.«
    »Das behauptet Bürochef Brodin ja schon lange …«
    Mr. George nickte. »Ja, aber Brodin kennt nicht das ganze Bild. In seinen Augen ist die Bay-Bande für mehr oder weniger alles verantwortlich. Ich aber glaube, dass sie in diesem Fall nur die Laufjungen für Verbrecher weitaus größeren Kalibers gespielt haben. Und dann kapierten sie anscheinend, dass sie sich übernommen hatten. Erst verlagern sie das Hauptquartier zum Fischkastenlager bei Vippetangbryggen - und das in letzter Minute - und dann steht nur einen Tag später die Dronningens gate 63 in Flammen. Nach dem Feuer hat keiner mehr was von Birger Bay und seiner Bande gesehen, die sind wie vom Erdboden verschluckt…«
    »Du hast wahrscheinlich recht«, sagte ich. »Als ich das letzte Mal mit Tore Schröder sprach, erzählte er, die Bande habe sich auf etwas eingelassen, das viel zu groß für sie sei. Er behauptete, alle fürchteten um ihr Leben.«
     
    Mr. George sah mich scharf an. »Hast du neulich mit Tore Schröder geredet?«
    »Nein, das war zwei Tage nach dem Rustad-Mord. Ich weiß noch, was er zum Abschied zu mir sagte. Es hat sich fest in mein Gedächtnis eingebrannt. Ich fragte ihn, was er jetzt vorhätte, und er erwiderte: >Ich habe vor zu verschwinden. Wenn nötig für immer. <«
    Mr. George blickte lange aus dem knapp einen Meter über dem Gehweg liegenden Fenster und tat so, als wäre er vollkommen in die Betrachtung der vorbeihastenden Menschen versunken. Ohne sich zu mir umzuwenden, sagte er dann: »Ich war heute Vormittag bei Harbitz. Man hat ihm eine Leiche gebracht, die im Frognerkilen gefunden wurde. Es war ein kleiner, dunkelhaariger Mann Mitte dreißig.«
    »Tore Schröder?«
    »Genau.«
    »Ermordet?«
    Mr. George zuckte mit den Schultern. »Die Todesursache war Ertrinken, es könnte sich also auch um Selbstmord handeln. Aber er ist in der Tat der Einzige aus der Bay-Bande, von dem man nach langer Zeit wieder etwas gesehen hat. Und das beruhigt mich nicht gerade …«
    Er beugte sich vor und sah mich mit ernstem Gesicht

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