Der Spion der Fugger Historischer Roman
vergangenen Jahren nie sein Wort gebrochen. Angesichts der Beute, die er bereits gemacht hatte, waren einige seiner ehemaligen Matrosen daheim in England bereits zu gemachten Männern geworden. Für seine Leute war Drake fast so etwas wie ein Heiliger, für den sie ohne zu zögern durchs Feuer gegangen wären. Nie zuvor hatte Sachs eine so tiefe Verbundenheit zwischen Befehlshaber und Gefolgsleuten erlebt – außer vielleicht zu Zeiten Anton Fuggers in den Reihen der alten Kaufmannsfamilie. Aber das war lange her.
Die beiden schnellen Segler nahmen wieder zusammen ihren Kurs auf, und rasch wurde klar, dasses gen Morgen ging, also Richtung Osten, der aufgehenden Sonne entgegen, vermutlich in jene Gewässer, in denen die Kaperung der
Aviso
stattgefunden hatte – also zwischen Kuba im Norden und Jamaika im Süden.
Die Schiffe machten gute Fahrt, wobei die
Falcon
bald schon weit voraus war, da sich ihre vorteilhaftere Bauweise durch eine höhere Geschwindigkeit bemerkbar machte. Zum Glück war das Wetter diesmal ruhig und der Wind günstig. Die erste Nacht wälzte sich der Fugger-Agent noch unruhig in seiner Kajüte hin und her; schlafen konnte er nicht. Am zweiten Abend versuchte er gar nicht erst, sich zur Ruhe zu legen, sondern schlich sich aus seiner Kabine aufs Hauptdeck. Die Sterne glühten, und der Mond stand als schmale Sichel am Firmament. Wieder war es eine wunderschöne Nacht, die so gar nicht zu Amman Sachs’ Gemützustand passen wollte.
Zu viele Gedanken tobten durch seinen Kopf. Sein Instinkt sagte ihm, dass er so schnell wie möglich von diesem Schiff herunter müsste. Er stand nahe dem Achterdeckkastell und schaute hinaus aufs Meer. Für einen Moment überlegte er tatsächlich, ob er nicht einfach über die Reling steigen und ins Wasser springen sollte. Vielleicht fand er Treibholz, an dem er sich festhalten konnte; viel mehr Chancen, diese Reise zu überleben, hätte er auch so nicht.
Hernando Hörl hatte seinen Teil der Abmachung mit den Engländern erfüllt und seine Unterschrift unter die Urkunde gesetzt, für die das Lösegeld für Amman Sachs aus den Kassen der Fugger ausbezahlt würde. Doch Hörl hatte auch die Engländer aufgefordert, ihren Teil dieser Abmachung einzuhalten – und je länger Sachs darüber nachdachte, umso sicherer war er, dass damit nur eines gemeint sein konnte: Man würde ihn umbringen.
Der Fugger-Agent hörte noch jemanden aus der Tür des Achterdeckkastells treten. Er drehte sich um und erkannte Francis Walsingham, der offensichtlich auch nicht schlafen konnte.
»Wohin geht unsere Reise, Walsingham?«, fragte Sachs ohne Einleitung.
Der Engländer trat näher und stellte sich neben Sachs an die Reling. »Nach Hause, wenn alles gut geht.« Walsingham hatte ruhig gesprochen, fast wie ein Vater, der seiner Familie Sicherheit vermitteln will. Amman Sachs aber hatte einen Verdacht.
»Was könnte denn noch schiefgehen?«, fragte er.
Der Engländer atmete tief durch, ehe er antwortete. »Wir sind in unruhigen Gewässern, als Untertanen Königin Elisabeths sogar in feindlichen Gewässern. Ich muss Euch nicht sagen, Hohensax, was hier draußen alles passieren kann. Allerdings fahren wir unter spanischer Flagge auf einem spanischen Schiff. Das
kann
ein Vorteil sein.«
Amman Sachs überlegte. »Wieso sagt Ihr, das kann ein Vorteil sein? Was befürchtet Ihr?«
Walsingham beugte sich vor und stützte sich dabei auf der Reling ab. »Wenn die falschen Seefahrer uns für Spanier halten, könnten wir für eine lukrative Prise gehalten werden. Dieses Schiff ist ja schon einmal Piraten in die Hände gefallen, nicht wahr?« Der Engländer lächelte. »Seid Ihr der französischen Sprache mächtig, Meister Sachs?«
Der Fugger-Agent glaubte zu verstehen, was der andere meinte. »Sind auch die Franzosen hinter spanischen Schiffen her?«, wollte er wissen. »Kapitän Jean le Testu, mit dem Euer Kamerad Francis Drake wohl in Panama auf Raubzug war, ist doch tot, oder? Und spanische Schiffe hat er nie angegriffen, nur spanische Siedlungen oder eben die Goldkarawane. Auf offener See hat sich noch kein Franzose an einen spanischen Segler herangetraut.«
Walsingham nickte. »Grundsätzlich habt Ihr recht. Aber habt Ihr je von Jean Fleury gehört, der zwei Goldschiffe König Karls kaperte, dem Vater von König Philipp? Fleury war auch Franzose.«
Sachs stutzte. »Fleury kreuzte vor Lissabon. Er war Küstenfahrer. Über das Meer hat er sich nie gewagt. Er hatte damals gar nicht die nötigen
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