Der Spion der Fugger Historischer Roman
versenkt haben soll, um seine Männer an einer Meuterei und einer Flucht aus der neuen Welt zu hindern. Fürwahr ein Land der rauen Sitten.
Wahrscheinlich würde sich auch hier wiederholen, was Amman Sachs schon bei seiner ersten Station in der Neuen Welt erlebt hatte: Wie in Nombre de Dios würde er sich auf Geheiß eines Hafenbeamten beim Gouverneur vorstellen und seine Begleitschreiben herzeigen müssen, um sich in Neuspanien – dessen wichtigster Hafen Veracruz war – frei bewegen zu dürfen. Doch wie schon in Panama rechnete Sachs damit, dass seine Freiheiten auch hier in Veracruz beschränkt sein würden; auch hier würden sicherlich sämtliche Spanier, allen voran die Kaufleute, ein wachsames Auge auf den Ausländer haben, der unter dem Schutz des spanischen Königs zu reisen vorgab.
Doch Amman Sachs konnte an Land keine Männer erblicken, die nach Kaufleuten oder Händlern aussahen. Die Leute, die er auf dem kleinen Hafenkai sah, trugen ausnahmslos die schlichte Kluft von Handwerkern und Landarbeitern. Außerdem waren die Harnische einiger Soldaten zu erblicken. Doch nicht eine einzige, vornehm gekleidete Person war zu sehen. Amman Sachs war alarmiert. So sah kein Empfangskomitee an einem regen Handelsplatz aus.
Erst jetzt fiel ihm auch auf, dass außer der
Flor de la Mar
kein anderes Schiff im Fluss oder an der Hafenmauer lag; überhaupt kam es Sachs jetzt so vor, als könnte dies nie und nimmer der berühmte Silberhafen der Spanier sein, über den angeblich der gesamte Mittelamerikahandel abgewickelt wurde. Dazu war er zu klein und beengt.
Sachs wurde misstrauisch und fragte sich, ob er sich mit seinen Sorgen an den Kapitän der Galeone wenden sollte, der das Schiff ja schließlich hierher manövriert hatte. Er schaute zum Navigator hinüber – und stellte fest, dass dieser ihn die ganze Zeit beobachtet haben musste.
Grinsend trat der Navigator auf den Fugger-Agenten zu.
»Ihr fragt Euch, was an dem Anblick von Veracruz nicht stimmen kann, Meister Sachs, richtig?«
Sachs nickte. »Woher wisst Ihr das?«
»Man konnte es eben deutlich an Eurer Miene ablesen.«
»Ist das hier denn nicht Veracruz? Wohin habt Ihr uns gebracht? Was sollen wir hier? Die Befehle waren doch eindeutig.«
Das Grinsen des Seemannes wurde eine Spur gefährlicher.
»Habt Ihr Euch jetzt nicht verraten, Meister Sachs? Woher kennt Ihr meine Befehle? Aber Ihr seid ja sowieso ein sonderbarer Passagier, den der König selbst mir da wohl eingebrockt hat. Doch um Eure Frage zu beantworten – ja, dies hier ist Veracruz, nur eben das
ältere
Veracruz. Dort«, der Kapitän zeigte auf das größte Gebäude des Ortes jenseits der Kaimauer, »seht Ihr die Casa de Cortés, das ›Wohnhaus des Cortés‹.«
Amman Sachs war verblüfft.
»Wir sind im alten Veracruz? Aber wieso?«
»Das neue Veracruz liegt ein paar Meilen südlich. Wir konnten von See aus die Landzunge sehen, hinter der sich der Hafen verbirgt und wo bereits seit einigen Jahren die Festung San Juan de Ulúa gebaut wird. Ein schwieriges Unterfangen, das könnt Ihr mir glauben. Gutes Baumaterial ist in dieser Region nicht so leicht zu bekommen. Doch ohne die Festung wird es auf Dauer nicht gehen. Es muss drei oder vier Jahre her sein, dass ein paar Engländer sich im neuen Veracruz festsetzen konnten, nach heftigen Gefechten das Admiralsschiff der jährlichen Silberflotte versenkten und das Vize- Admiralsschiff in Brand setzten. Damals starben viele Menschen.«
Der Fugger-Agent verstand allmählich. »Es ist eine Finte, hier mit unserem kleinen Konvoi zu landen, weil man uns an diesem Ort wahrscheinlich nicht suchen wird! Ganz schön gerissen, das muss ich schon sagen.«
»Ja, die Engländer haben Blut gerochen. So viele Schätze in so vielen Schiffen! Bisher sind sie uns auf See noch haushoch unterlegen, deshalb greifen sie vorzugsweise auf dem Landweg an, wie in Nombre de Dios. Und auch im neuen Veracruz nahmen sie erst den Hafen ein und attackierten dann von Land aus die Flotte. Eigentlich nicht zu glauben, wo diese Männer doch von einer Insel stammen! Aber hier im alten Veracruz werdet Ihr, Herr Sachs, alles bestens bereitet finden.«
Amman merkte, wie ihm das Blut ins Gesicht schoss. War seine Tarnung aufgeflogen?
»Ihr müsst Euch nicht noch mehr erschrecken, Meister Sachs«, fuhr der Kapitän fort. »Ich bin auf Eurer Seite. Diese Mission hat mir meine erste eigene Galeone eingebracht. Wie Ihr wisst, müssen wir Navigatoren uns das Kommando auf diesen wertvollen
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