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Der Spion der Fugger Historischer Roman

Der Spion der Fugger Historischer Roman

Titel: Der Spion der Fugger Historischer Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roman Kessing
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nach Veracruz – La Villa Rica de la Vera Cruz, die »Reiche Stadt des Wahren Kreuzes« – sollte schließlich fast einen ganzen Monat dauern. Aber da man in Küstennähe segelte, um sich in diesen immer noch geheimnisvollen Gewässern besser orientieren zu können, konnte nur tagsüber mit sicherer Fahrt navigiert werden. Bei Sonnenuntergang wurden in Sichtweite der Küstenlinie die Segel eingeholt und die Anker ausgeworfen. An Land zu gehen wagte man allerdings nicht; zwar reiste eine Anzahl Bewaffneter mit, doch die Ureinwohner der Landstriche, die der Konvoi seeseitig passierte, galten als unberechenbar. Sie hatten offenbar zu viele Jahre lang schlechte Erfahrungen mit Konquistadoren gemacht, vermutete Amman Sachs. Doch auch ihm war deutlich wohler bei dem Gedanken, in sicherer Entfernung zu den von wilder Vegetation überwucherten Landstrichen unterwegs zu sein, als womöglich zu stranden und sich in einem düsteren Dschungel durchschlagen zu müssen, in dem es von unbekannten Bestien wimmelte.
    Der Hafen von Veracruz war schwer zu erreichen. Er lag einen kleinen Flusslauf hinauf, der gleich nach der Mündung einen scharfen Bogen machte. So war der eigentliche Ort vom Meer aus uneinsehbar, doch eine gewisse Betriebsamkeit an der Flussmündung und den sandigen Uferstreifen zu beiden Seiten des Stroms zeigte die Anwesenheit einer Siedlung an.
    Die Schiffe des Konvois ankerten nach ihrer Ankunft erst einmal auf dem offenen Meer, da niemand wusste, wie groß der Hafen von Veracruz eigentlich war und ob nicht vielleicht schon sämtliche Liegeplätze belegt waren. Ein kleinerer Kuriersegler wurde ausgeschickt, die Lage im Ort zu erkunden; schließlich konnte nicht ausgeschlossen werden, dass Feinde in der Stadt lagen, denn dieses Veracruz war bereits der zweite Ort mit diesem Namen an der Ostküste Mexikos.
    Das ursprüngliche Veracruz, das der erste Konquistador in diesen Breiten, Hernando Cortés, gegründet hatte, lag als Geisterstadt einige Meilen weiter nördlich: Diese Siedlung hatte schon nach wenigen Jahren aufgegeben werden müssen, da sie von der Landseite her schwer zu befestigen war. Das neue Veracruz war auf der einen Seite vom Meer abgegrenzt, auf der anderen Seite vom Fluss, der hier eine Neunzig- Grad- Biegung machte; somit blieben Angreifern nicht viele Möglichkeiten für einen Einfall in den Ort. Die Lage für den Hafen war also eine sehr gute Wahl, wie Amman Sachs fand.
    Schließlich erhielt die
Flor de la Mar
als Leit- und Flaggschiff des unerwartet aufkreuzenden Konvois die Erlaubnis der Hafenkommandantur, in den Fluss und den Hafen von Veracruz einzulaufen. Schon vom Wasser aus sah man die große Kirche des Ortes sowie ein imposantes Gebäude, das vermutlich dem hiesigen Gouverneur als Wohnhaus und Lager diente; nur war hier alles noch ein wenig größer als in Neu-Kastilien.
    Amman Sachs schaute in der flirrenden Luft der Mittagshitze genau hin, was es in der neuen Stadt für ihn zu entdecken geben könnte. Es waren deutlich weniger Menschen zu sehen als in Nombre de Dios, wenngleich der Anteil von Indios hier in Mexiko höher schien als in Panama. Die mexikanischen Indios waren auch spärlicher bekleidet; es war für den Europäer ein ungewöhnlicher Anblick, so viel nackte Haut zu sehen, obwohl Sachs aus verschiedenen Berichten über die Neue Welt von einigen Sitten und Gebräuchen der Ureinwohner wusste, die in der Heimat schlichtweg unvorstellbar waren.
    Auch wenn der Konvoi nicht erwartet wurde, sodass die Händler und Kaufleute fehlten, die sonst der Ankunft einer Flotte beiwohnten, bildete sich doch rasch eine ansehnliche Menschenmenge an der provisorischen Hafenmauer. Amman Sachs hörte nicht nur spanische Worte in dem Getümmel; auch ihm völlig fremde, kehlige Laute mischten sich in die Willkommensrufe.
    Erst jetzt, fast schon in der Stadt, erkannte der Fugger-Agent, dass die wenigen festen Häuser und Mauern aus Flusssteinen, Ziegeln und einstigen Ballaststeinen großer Schiffe errichtet waren, sodass jede Hauswand und jede Mauer ein buntes Durcheinander aus diesen verschiedenen Materialien darstellte. Baumaterial schien rar zu sein in diesen Breiten.
    Beim Anblick der Ballaststeine fiel Sachs die Legende ein, dass in der Meeresbucht vor Veracruz – also genau dort, wo die
Flor de la Mar
eben noch geankert und auf die Erlaubnis zur Einfahrt in den Hafen gewartet hatte – Hernando Cortés, der Erbauer der Stadt und Eroberer von Neuspanien, seine gesamte eigene Flotte mutwillig

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