Der Spion der Fugger Historischer Roman
gefedert sein musste. Erstaunlich wenige Schläge der schlechten Straße übertrugen sich von den großen Rädern der Kutsche auf die beiden Insassen.
In Gedanken versuchte der Fugger-Agent zu überschlagen, wie lange sie bei dieser Geschwindigkeit von Lissabon aus bis auf die Hochebene bei Madrid brauchen würde, wo sich der Escorial befand, der Königspalast.
Alfonso de Escobar schien Sachs’ Gedanken zu erraten.
»Vergesst das schwierige Grenzgebirge zwischen Kastilien und Portugal nicht«, sagte er. »Da müssen wir hinüber, wenn wir Philipps Residenz schnellstmöglich erreichen wollen. Acht, eher noch zehn Tagesreisen von hier, würde ich schätzen.« Der Cancellarius grinste. »Wir aber werden es in nur zwei Tagen schaffen!«
Amman Sachs stutzte; dann aber verstand er das Rätsel und dessen Lösung, die sich in Escobars besonderer Wortwahl verbargen.
»Der König hat also tatsächlich seine Klosterresidenz verlassen? Warum? Ich hoffe nicht wegen mir?«
Escobar lachte laut auf. »Sicher nicht! Ihr habt eine gesunde Meinung von Euch, das muss man Euch lassen.« Wieder lachte Escobar. »Ein Schiff mit ausreichend Gold an Bord, um zwei große Kriege gleichzeitig zu finanzieren, und ein mexikanischer Prinz, der dieses Gold als Zeichen seiner Demut übergeben will – das sind sehr gute Gründe, einmal mit fest gefügten Gewohnheiten zu brechen, auch für einen König, und die edle Klause zu verlassen. Ja, Philipp ist Euch und Eurem Goldschiff entgegen gereist, mein lieber Sachs.«
Dass der geheimeKanzler des spanischen Königs ihn bei seinem bürgerlichen Namen nannte, hatte beinahe schon etwas Vertrauliches. So schöpfte der Fugger-Agent neue Hoffnung, noch nicht gänzlich in Ungnade gefallen zu sein.
»Zwei Tagesreisen haben wir also vor uns? Und unsere Kutsche hat eine nord-nordöstliche Richtung eingeschlagen? Fahren wir nach Coimbra?«
Der Cancellarius schüttelte den Kopf. »Das wären drei Tagesreisen, mein Freund. Aber die Richtung, die Ihr bei Eurer Raterei eingeschlagen habt, stimmt schon.«
In Gedanken ging Amman Sachs die ihm bekannten Karten der Iberischen Halbinsel durch.
»Alcobaça vielleicht. Das dortige Zisterzienserkloster müsste doch ganz nach dem Geschmack des Königs sein. Oder das Mosteiro de Santa Maria da Vitória, das Dominikaner-Kloster der heiligen Maria des Sieges in Batalha?«
Wieder schüttelte Escobar sichtlich amüsiert den Kopf.
Weitere Orte zwischen Lissabon und Coimbra, die auch nur annähernd dem Aufenthalt des mächtigsten Mannes der bekannten Welt würdig gewesen sein könnten, fielen Sachs nicht ein. »Dann treffen wir den König vermutlich in irgendeinem Gasthaus am Wegesrand«, gab der Fugger-Agent endlich seiner Resignation nach, den aktuellen Aufenthaltsort Philipps nicht erraten zu können, wenngleich ihm dieses Ratespiel mittlerweile albern vorkam. Escobar machte aber auch keine Anstalten, das Rätsel aufzuklären, und genoss es stattdessen sichtbar, seinen Begleiter im Ungewissen zu lassen.
So verlegte Amman Sachs sich schließlich aufs Schweigen und versuchte lediglich durch Beobachtung der langsam an den Fensteröffnungen vorüberziehenden Landschaft zu entschlüsseln, wohin diese seltsame Reise wohl führen mochte und was ihn am Ziel erwartete. Schließlich hatte er als Verantwortlicher für die sichere Überfahrt der so wertvollen Goldgaleone kläglich versagt. Und außer einigen vagen Verdächtigungen würde er – endlich zur Rede gestellt – nicht viel zu seiner Verteidigung vorzubringen haben.
Die gesamte Fahrt führte mehr oder weniger in Sichtweite des großen Rio Tejo durch üppiges und weitgehend ebenes Marschland, was das Vorankommen sehr erleichterte. In einem kleinen Ort, den der Cancellarius seinem Begleiter als »Vila Franca de Xira« vorstellte, wurden sie von den Einheimischen zwar wie exotische Tiere bestaunt, aber auch mit einfachen, jedoch guten Speisen für eine komfortable Rast versorgt. Amman Sachs bemerkte zahlreiche schwarze Stiere auf den Wiesen rund um das Dorf und hätte bei all dieser friedlichen Ländlichkeit beinahe den Anlass der Reise vergessen.
Als der kleine Tross die Fahrt bald darauf flussaufwärts fortsetzte, veränderte sich der Rio Tejo ziemlich plötzlich, und aus der eben noch breiten Wasserfläche wurde ein normaler, überschaubarer Flusslauf, der sich sanft mäandernd seinen Weg in die Landschaft gegraben hatte.
Nur einmal unterbrach Amman Sachs das Schweigen zwischen Alfonso de Escobar und ihm, und
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