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Der Spion der Fugger Historischer Roman

Der Spion der Fugger Historischer Roman

Titel: Der Spion der Fugger Historischer Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roman Kessing
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nur einen Kern Wahrheit enthielten. Eine verborgene Festung, in der möglicherweise das an anderen Orten restlos vernichtete Wissen der Mauren im Okzident bewahrt worden sein könnte. Verbotenes Wissen. Verbanntes Wissen. Unaussprechliches Wissen.
    Amman Sachs spürte, wie er am ganzen Körper eine Gänsehaut bekam, wenn er an die gewisperten Legenden über diesen entrückten Ort dachte. Und nun sollte er selbst ihn schauen dürfen, ihn erleben dürfen, diesen magischen Ort der düsteren Wissenschaften . . .
    Doch was den Agenten am meisten erschreckte war die Vorstellung, dass er ausgerechnet hier den streng katholischen Habsburger auf dem spanischen Thron treffen sollte. Kein anderer Herrscher lebte das klösterliche, enthaltsame Ideal eines christlichen Königs so vorbildlich wie Philipp von Spanien – so hieß es zumindest stets von diesem Monarchen. Und jetzt hatte dieser höchste weltliche Fürst ausgerechnet diese vermeidliche Ketzerschmiede zu seinem geheimen Domizil in Portugal gemacht?
    Die Auffahrt den Hügel hinauf, wo sich die Kreuzritterburg befand, wurde nach der eher ruhigen Fahrt durch die Tejomarschen noch einmal zu einer echten Herausforderung für die beiden Kutschführer, die große Mühe hatten, das halbe Dutzend Pferde mit ihrer schweren Fracht die enge Serpentinenstrecke hinauf zu treiben. Insgesamt war der zu bewältigende Höhenunterschied vom Ort Tomar hinauf zum Kloster des Christusordens zwar nicht gewaltig, doch der Weg zu den Toren der Festung war mit Bedacht so steil angelegt worden, dass mögliche Angreifer beim Emporsteigen ermüdeten.
    Erschwert wurde die Passage noch dadurch, dass der Aufweg auch zu dieser fortgeschrittenen Stunde – die Dämmerung brach bereits über Hügel und Tal herein – noch rege von Händlern, Landsknechten und Marketendern genutzt wurde, die offensichtlich Waren zur Burg brachten oder nach erfolgreichen Geschäften von dort zurückkehrten. Immer wieder kam es zu Unterbrechungen der Fahrt, die von lautem Geschrei begleitet wurden, weil die große Kutsche und entgegenkommende Fuhrwerke nicht auf Anhieb aneinander vorbeikamen.
    Amman Sachs verfolgte von seinem Platz an einer der kleinen Fensteröffnungen des Kutschwagens aus die zum Teil waghalsigen Manöver der Fuhrleute mit ihren Gefährten und entdeckte, wie er glaubte, als Erster das hinter einer Wegbiegung auftauchende Tor der jetzt aus der Nähe betrachtet noch wuchtigeren Burganlage.
    Die großen massiven Holzpforten waren weit geöffnet, und im letzten Licht der Abendsonne glänzten die Rüstungen zahlreicher Wachsoldaten. Zur Verwunderung des Fugger-Agenten sah er ausschließlich spanische Uniformen, was in der Tat überraschend war, trennten doch Spanien und Portugal, wie ganz Europa wusste, jahrhundertealte Grenzstreitigkeiten. Aber wenn der spanische König hier weilte, war es wohl nur selbstverständlich, dass er sich nur von seinen eigenen Soldaten beschützen ließ.
    Doch für Amman Sachs lag in diesem Bild eine unbekannte Dimension großer Diplomatie verborgen: Spanische Soldaten, die eine nur als Mythos bekannte portugiesische Klosterburg bewachten. Das war in der Tat eine Ungeheuerlichkeit. Sachs ahnte, dass er hier Zeuge noch unbekannter Entwicklungen wurde – allmählicher, von der Öffentlichkeit unbemerkter Veränderungen, die das Bild der Welt nachhaltig verändern würden.
    Und auch gefährden konnten.
    Und da die Kutsche des Cancellarius, die man hier offensichtlich gut kannte und auch erwartet hatte, vor allen anderen Fuhrwerken Vorfahrt erhielt und das erste Tor ohne Aufenthalt passieren durfte, wuchs auch ein eigenes Gefühl von Bedeutung bei Amman Sachs, der ein wenig von den Privilegien Escobars auf sich abstrahlen sah. Die Ehrfurcht, die die Kutsche, in der sie saßen, allein durch ihren Anblick bei den Passanten verursachte, war für den Fugger-Agent mit allen Sinnen spürbar. Und er genoss voll heimlicher Freude diesen kleinen Triumphzug, dessen Ausgang aber nach wie vor voller Ungewissheit für ihn war.
    Da sich das Rollgeräusch der großen Räder des Kutschwagens für einen Moment änderte, erkannte Amman Sachs, dass sie jetzt wohl ein zweites, inneres Tor erreicht hatten, das durch eine wahrscheinlich hölzerne Zugbrücke davor gesichert wurde. Die veränderten Geräusche waren aber nur kurz zu hören; dann knirschte auch schon wieder Kies unter den eisernen Laufflächen der Räder.
    Durch die Fensterluken erkannte Amman Sachs nun in langen Reihen aufgestellte Fackeln,

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