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Der Spion der mich liebte

Titel: Der Spion der mich liebte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ian Fleming
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heraus. Ich hatte Hunger. Und dann wurde plötzlich laut an die Tür gehämmert.
    8
    Mir schlug das Herz bis zum Hals. Wer konnte das sein? Und dann fiel es mir ein. Das Schild »Zimmer frei!« Ich hatte den Schalter gedreht, als der Blitz einschlug, und vergessen, ihn wieder auszuknipsen. Wie dumm! Wieder dröhnten Schläge gegen die Tür. Nun, es würde mir nichts anderes übrigbleiben, als zu öffnen, mich zu entschuldigen und die Leute weiterzuschicken. Nervös schritt ich zur Tür, schloß sie auf und öffnete sie, soweit die Kette es zuließ. Vor dem Haus war keine Veranda. Das Neonschild leuchtete wie ein roter Heiligenschein durch den Regenschleier, warf einen rötlichen Schimmer auf die schwarzen Ölmäntel und Südwester der beiden Männer. Hinter ihnen stand ein schwarzer Wagen. Der vordere Mann fragte höflich: »Miss Michel?« »Ja, das bin ich. Aber ich muß Sie enttäuschen. Das Motel ist geschlossen.«
    »Ja, ja, natürlich. Wir kommen von Mr. Sanguinetti. Von seiner Versicherung. Wir wollen rasch eine Bestandsaufnahme von den Dingen machen, die morgen weggebracht werden. Können wir hineinkommen, Miss? Wir zeigen Ihnen drinnen unsere Ausweise. Scheußliches Wetter!«
    Ich blickte zweifelnd von einem zum anderen, doch ich konnte ihre Gesichter unter den Südwestern kaum erkennen. Was sie gesagt hatten, klang einleuchtend, trotzdem gefiel es mir nicht. »Aber Mr. Phancey, der Geschäftsführer, hat mir von Ihrem Kommen gar nichts gesagt«, versetzte ich nervös. »Das hätte er aber tun müssen, Miss. Ich werde sein Versäumnis Mr. Sanguinetti melden.« Er wandte sich nach dem Mann um, der hinter ihm stand. »Meinen Sie nicht auch, Mr. Jones?«
    Der andere unterdrückte ein Lachen. »Ganz richtig, Mr. Thomson.«
    »Also dann ... Können wir eintreten, Miss? Hier draußen ist es wirklich unangenehm feucht.«
    »Ich weiß nicht. Man hat mir gesagt, ich dürfte niemanden hereinlassen; aber da Sie von Mr. Sanguinetti kommen...« Unsicher löste ich die Kette und zog die Tür auf. Sie drängten sich herein, zwängten sich rücksichtslos an mir vorbei und blieben dann nebeneinander stehen, während sie ihre Blicke durch den Raum schweifen ließen. Der Mann, der als Mr. Thomson angeredet worden war, schnüffelte. Schwarze Augen blickten mich aus einem kalten grauen Gesicht an. »Rauchen Sie?« »Ja, ab und zu. Warum?« »Wir dachten schon, Sie hätten Gesellschaft.«
    Er schob meine Hand von der Klinke, schlug die Tür zu, sperrte ab und legte die Kette vor. Dann zogen beide Männer ihr Ölzeug aus und warfen es auf den Boden. Jetzt, da ich sie genauer betrachten konnte, erwachte in mir eine Ahnung höchster Gefahr.
    Mr. Thomson, offensichtlich der Tonangebende, war groß und mager, beinahe knochig. Seine Haut wirkte so fahl und leblos wie die eines Menschen, der nie an die frische Luft kommt. Die schwarzen Augen waren ruhig und ohne Neugier, die Lippen schmal und bläulich rot wie eine Wunde. Wenn er sprach, glitzerten seine Zähne metallisch grau, und ich nahm an, daß es sich um billige Stahlkronen handelte, wie man sie angeblich in Rußland und Japan verwendet. Die Ohren lagen eng an dem kantigen, eckigen Kopf, und das schwarze Haar war so kurz geschnitten, daß man das Weiß der Kopfhaut durchschimmern sah. Er trug einen schwarzen gutsitzenden Einreiher. Die Schultern waren ausgepolstert, daß sie eckig wirkten, und die Hose war so eng, daß sich seine knochigen Knie unter dem Stoff abzeichneten. Darunter hatte er ein graues Hemd an, zugeknöpft bis zum Hals und ohne Krawatte. Die Schuhe waren nach italienischer Mode sehr spitz, aus grauem Wildleder. Sie sahen ebenso neu aus wie der Anzug. Der Mann wirkte so kaltblütig wie ein gefährliches Reptil, und mich überlief ein Schauder der Angst. Im Vergleich zu der tödlichen Kälte, die diesen Mann umgab, machte der andere fast einen harmlosen Eindruck. Er war ein untersetzter, mondgesichtiger junger Mann mit feuchten, sehr blassen, grauen Augen und wulstigen speichelglänzenden Lippen. Seine Haut war milchweiß, und er war von dieser scheußlichen Krankheit völliger Kahlheit befallen, keine Augenbrauen, keine Wimpern, kein Kopfhaar. Er hätte mir leid getan, wenn ich nicht solche Angst gehabt hätte. Zu allem Überfluß schien er auch noch erkältet zu sein. Sobald er sein Ölzeug abgestreift hatte, schneuzte er sich. Er trug eine schwarze Lederjacke, eine zerknitterte Hose und hochhackige mexikanische Stiefel. Man traute ihm sofort zu, daß er den

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