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Der Spion der mich liebte

Titel: Der Spion der mich liebte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ian Fleming
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zurechtweisen. Abends, wenn ich zu Bett ging, stellte ich regelmäßig einen Stuhl unter die Türklinke, so daß ihm auch der zweite Schlüssel nichts nützte, den er eines Abends probiert hatte.
    In der ersten Woche hatten wir einige Gäste, und ich stellte fest, daß man von mir auch Hilfe bei der Hausarbeit erwartete. Doch das machte mir nichts aus. Es kamen immer weniger Gäste, und nach dem zehnten Oktober blieben sie ganz aus.
    Der fünfzehnte Oktober ist in diesen Saisonbetrieben offenbar ein magisches Datum. An diesem Tag schließt alles, nur die Motels an den Autobahnen bleiben offen. Der Winter beginnt! Um diese Zeit fängt auch die Jagdsaison an, doch die reichen Leute besitzen ihre eigenen Jagdhütten in den Bergen, und die Armen fahren mit ihren Wagen frühmorgens zu einem Picknickplatz und pirschen sich vor Tagesanbruch durch die Wälder, um ihr Wild zu erlegen. Auf jeden Fall verschwinden um den fünfzehnten Oktober herum die Touristen von der
    Landstraße, und mit dem leichten Geldverdienen in den Adirondacks ist es zu Ende.
    Während dieses Datum näherrückte, fanden häufig Telefongespräche zwischen den Phanceys und Mr. Sanguinetti in Troy statt. Und am elften Oktober erklärte mir Mrs. Phancey ganz nebenbei, daß sie und Jed schon am Dreizehnten nach Troy zurückkehren würden. Sie fragte, ob es mir etwas ausmachen würde, eine Nacht allein im Motel zu verbringen und am nächsten Tag Mr. Sanguinetti die Schlüssel zu übergeben, der am Vierzehnten gegen Mittag ankommen würde, um das Motel zu schließen.
    Mir kam das sehr merkwürdig vor, daß man einer Unbekannten so ohne weiteres das Motel anvertrauen wollte, doch die Phanceys erklärten mir, daß sie die Kasse und die Lebensmittel· und Getränkevorräte mitnehmen würden. Ich hätte nur darauf zu achten, die Lichter auszuschalten und die Türen abzusperren, ehe ich zu Bett ging. Mr. Sanguinetti würde dann am folgenden Tag mit einem Lastwagen eintreffen, um die restliche bewegliche Habe abzuholen. Danach könnte ich meine Fahrt fortsetzen. Ich stimmte zu, und Mrs. Phancey strahlte, behauptete, ich sei ein nettes, hilfsbereites Mädchen, doch als ich sie bat, mir ein Zeugnis zu schreiben, wurde sie zurückhaltend und meinte, das müßte sie Mr. Sanguinetti überlassen. Allerdings versicherte sie mir, daß sie ihn darauf aufmerksam machen würde, wie fleißig und hilfsbereit ich gewesen sei.
    Am letzten Tag packten wir alles, was sie mitnehmen wollten, in den Kombiwagen, so daß nur noch Schinken, Eier und Kaffee für mich zurückblieben.
    Ich hatte erwartet, daß die Phanceys am letzten Tag besonders nett zu mir sein würden. Wir waren schließlich recht gut miteinander ausgekommen, und ich hatte mir wirklich Mühe gegeben, ihnen zur Hand zu gehen. Doch seltsamerweise war es gerade umgekehrt. Mrs. Phancey kommandierte mich herum, als wäre ich ein Dienstmädchen, und Jeds Annäherungsversuche wurden grob und ekelhaft. Er warf mit schmutzigen Ausdrücken um sich, selbst wenn seine Frau in
    Hörweite war, und wurde ganz unverhohlen zudringlich, sobald ich in seine Nähe kam. Ich konnte diese Veränderung nicht begreifen. Es hatte den Anschein, als hätten sie von mir erreicht, was sie gewollt hatten, und könnten mich jetzt mit Verachtung - ja, mit Abscheu - behandeln. Ich wurde so wütend, daß ich Mrs. Phancey schließlich erklärte, ich würde sofort gehen, und mein Geld verlangte. Mrs. Phancey lachte mir ins Gesicht. Mein Geld würde ich von Mr. Sanguinetti erhalten. Sie könnten es sich nicht erlauben, daß er bei seiner Ankunft womöglich feststellen mußte, daß das Silber nicht stimmte. Danach machte ich mir ein paar Brote, um das gemeinsame Abendessen mit den beiden zu vermeiden, und schloß mich in mein Zimmer ein. Ich konnte den Augenblick ihrer Abreise kaum erwarten, doch schließlich wurde es sechs Uhr, und die beiden Ungeheuer machten sich endlich davon. Und heute war also meine letzte Nacht im Dreamy Pines. Morgen schon würde ich wieder unterwegs sein. Der Aufenthalt war trotz der Phanceys nicht unangenehm gewesen, und ich hatte Gelegenheit gehabt, Erfahrungen in einer Branche zu sammeln, die mir vielleicht noch von Nutzen sein konnten. Ich blickte auf meine Uhr. Es war neun Uhr. Die Nachrichten brachten neue Meldungen über das Gewitter. Um Mitternacht würde es die Adirondacks verlassen haben. Ich trat hinter die Theke des Restaurants, schaltete die elektrische Kochplatte ein und holte drei Eier und sechs Scheiben Schinken

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