Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Der Spion der mich liebte

Titel: Der Spion der mich liebte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ian Fleming
Vom Netzwerk:
mit Vernunft und gesundem Menschenverstand meine Erregung über den Beschluß des. Scherbengerichts, mich aus der Gesellschaft auszustoßen - die meisten meiner Freunde durften auf elterliche Anordnung hin nicht mehr mit mir verkehren -, dennoch betrat ich den Boden Englands mit einem Gefühl der Schuld und in dem Bewußtsein, »anders« zu sein. Hinzu kam noch die Tatsache, daß ich aus den Kolonien stammte, so daß ich begreiflicherweise seelisch recht gedrückt in das Pensionat für junge Damen eintrat.
    Miss Threadgolds Astor House war, wie die meisten dieser durch und durch englischen Institutionen, in der Nähe von Sunningdale gelegen. Es war ein riesiges Gebäude im viktorianischen Stil, das loszuschlagen den Häusermakler bestimmt einige Mühe gekostet hatte. Das obere Stockwerk war in fünfundzwanzig Zweibettzimmer eingeteilt worden, die durch dünne Wände voneinander getrennt waren. Da ich »Ausländerin« war, steckte man mich zu einer anderen Ausländerin ins Zimmer, einer dunkelhäutigen libanesischen Millionenerbin mit üppigen Büscheln dunklen Haares in den Achselhöhlen und einer Leidenschaft für Schokoladenkaramellen und einen ägyptischen Filmstar namens Ben Said, dessen glänzendes Foto - glänzende Zähne, glänzender Schnurrbart, glänzende Augen - nur allzu bald nach meiner Ankunft von drei anderen Mädchen zerrissen und in der Toilette hinuntergespült wurde. Ich hatte allerdings nicht allzusehr unter der Gesellschaft der Libanesin zu leiden. Sie war so gräßlich übelriechend und in ihr Geld verliebt, daß die meisten anderen Mädchen Mitleid mit mir empfanden und sich Mühe gaben, nett zu mir zu sein. Doch es gab auch andere, die nichts für mich übrig hatten, und ich litt Qualen, wenn sie mich wegen meines Akzents, wegen meines völligen Mangels an savoir-faire und überhaupt wegen der Tatsache, daß ich Kanadierin war, verspotteten. Ich war, das erkenne ich jetzt, viel zu empfindlich und geriet zu rasch in Wut. Ich ließ mir die Hänseleien und herablassenden Bemerkungen einfach nicht gefallen, und als ich zwei der beharrlichsten Quälgeister meinen Ärger handgreiflich hatte fühlen lassen, taten sich die anderen eines Abends zusammen, drangen in mein Zimmer ein, pufften und kniffen mich und übergössen mich mit Wasser, bis ich in Tränen ausbrach und versprach, nicht mehr »wie ein Elefant auf den anderen herumzutrampeln«.
    Die Ferien entschädigten mich für alles. Ich freundete mich mit einer Schottin an, Susan Duff, die ebenso wie ich eine Vorliebe für Sport und Erholung im Freien hatte. Auch sie war ein Einzelkind, und ihre Eltern waren froh, daß sie sich an mich angeschlossen hatte. Im Sommer verbrachten wir die Ferien in Schottland, und im Winter und Frühjahr liefen wir Ski in der Schweiz, in Österreich oder Italien. Gemeinsam brachten wir die Schule hinter uns und feierten auch den Abschluß zusammen. Tante Florence rückte fünfhundert Pfund heraus, als Beitrag zu einem blöden Schlußball im Hyde-Park-Hotel, und von da an wurde ich weiterhin zu ähnlich blöden Tanzveranstaltungen eingeladen, wo ich junge Männer traf, die mir unhöflich und im Vergleich zu den jungen Kanadiern, die ich gekannt hatte, völlig unmännlich und unausgegoren erschienen. Aber vielleicht war mein Eindruck falsch, denn einer von den jungen Männern ritt im selben Jahr beim Grand National mit und schaffte das Rennen bis zum Ziel.
    Und dann lernte ich Derek kennen.
    Ich war inzwischen siebzehn, Susan und ich wohnten in einer winzigen Dreizimmerwohnung in der Old Church Street, einer Nebenstraße der King's Road. Es war Ende Juni, und die Ballsaison war fast vorbei. Deshalb beschlossen wir, die wenigen Leute, an denen uns tatsächlich etwas lag, zu einer Party einzuladen. Die Familie, die uns gegenüber wohnte, fuhr auf Urlaub ins Ausland und überließ uns ihre Wohnung für die Party. Susan und ich waren ziemlich pleite. Deshalb schickte ich ein Telegramm an Tante Florence und erhielt prompt hundert Pfund. Susan kratzte weitere fünfzig Pfund zusammen. Wir wollten etwa dreißig Leute einladen, rechneten jedoch damit, daß nicht mehr als zwanzig erscheinen würden. Wir besorgten achtzehn Flaschen Champagner - rosa, weil das aufregender klang -, eine Dose mit vier Kilo Kaviar, zwei billige Dosen Leberpastete und eine Menge mit Knoblauch gewürzter Gabelbissen aus Soho. Dann richteten wir eine Riesenladung belegter Brötchen an und stellten ein paar Teller mit Pralinen und süßem Gebäck auf.

Weitere Kostenlose Bücher