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Der Spion der Zeit

Der Spion der Zeit

Titel: Der Spion der Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcelo Figueras
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in denen sie Schwierigkeiten mit den Kontaktleuten des Studios vor Ort anführte, hatte sie ihre Rückkehr mehrfach aufgeschoben. Als sie endlich wieder im Büro der Columbia Pictures auftauchte, war es nur noch wenige Tage bis zum Beginn der Vorproduktion. Cohn, der jeden Tag Dutzende von Leuten entließ, stand kurz davor, sie rauszuwerfen. Aber eine Neue an ihre Stelle zu setzen hätte das Problem nur vergrößert; es bliebe keine Zeit mehr, sie einzuarbeiten, und außerdem brauchte er jemanden, dem Rita Hayworth gewogen war.
    Cohn beschloss, mit ihr weiterzumachen. Und Virginia Van Upp hielt ihre Schwangerschaft geheim. Wäre durchgesickert, dass sie ein Kind erwartete, hätte man ihren Vertrag mit den Columbia Pictures sofort aufgelöst.
    Der Film wurde ein Erfolg, doch als Virginia Van Upp um eine Auszeit bat, nahm Cohn das alles andere als wohlwollend auf. Er brauchte sie, sie sollte ein Auge auf Rita Hayworth haben, deren turbulentes Liebesleben ihn an den Rand des Wahnsinns trieb. Doch alles Drohen des »White Fang« war vergeblich. Virginia Van Upp wollte ja gerade vor ihm verbergen, dass sie in ihrem Zustand denkbar ungeeignet dafür war, das Gefühlsleben anderer zu kontrollieren.
    Erschöpfung vorschützend, sagte Virginia Van Upp, sie wolle ein paar Monate in Trinidad verbringen. (Argentinien, Trinidad, sie hatte eine Schwäche für exotische Orte.) Hochschwanger kam sie an. Bis heute ist unbekannt, was sie dazu getrieben hat, ausgerechnet diesen Ort für ihre Niederkunft zu wählen. Einziger Beweis für ihren Aufenthalt in Trinidad sind die Ein- und Ausreiselisten des Zolls, das Gästebuch eines Hotels und die Dokumente eines Waisenhauses, das ihren nur wenige Tage alten Säugling aufgenommen hatte.
     
    Benet erfuhr auch, dass ihre Karriere damit mehr oder weniger beendet war: Wen Cohn einmal hasste, den hasste er, und nach einem letzten Film mit Rita Hayworth (Affäre in Trinidad, die Idee zur Geschichte wird Virginia Van Upp zugeschrieben) verzichtete er auf ihre Dienste.
    Dem Foto des alten Who’s Who der Columbia Pictures nach zu urteilen, das Benet sich aus Los Angeles hatte schicken lassen, war Virginia Van Upp eine Brünette mit dunklem Teint und funkelnden Augen. Die fehlende Ähnlichkeit machte das Geheimnis um Van Upps Vater noch größer; es musste ein Argentinier sein.
    Virginia Van Upp lebte noch. (Sie war in ihre Heimat Chicago zurückgekehrt.) Benet rief sie an. Als er ihr erklärte, dass es um ihren Sohn ging, den sie zur Adoption freigegeben hatte, legte sie sofort auf. Er hätte sie nochmals anrufen und sie über die amerikanischen Justizbehörden dazu zwingen können, eine Aussage zu machen. Aber Virginia Van Upps kindische Reaktion hatte gezeigt, wie sehr sie die Distanz schätzte, die sie zu einem bestimmten Teil ihrer Vergangenheit aufgebaut hatte.
    Benet fragte sich, ob der Polizeichef wohl zufrieden sein würde. Er zumindest war es. Er kam sich scharfsinnig vor und beschloss, mit seinen Ermittlungen fortzufahren. Auf keine weiteren schlüpfrigen Details gestoßen zu sein, störte ihn nicht so sehr wie das Gefühl, dass seine Beute ihm stets zwei Schritte voraus war.
    Sowohl in der Bibliothek als auch beim Postamt hatte man Benet gesagt, Van Upp sei kurze Zeit vorher schon dort gewesen und habe dieselben Fragen gestellt und dieselben Archive durchforstet.
    XXV
    »Der Henker Moliner wollte jegliches Treffen mit uns vermeiden«, sagte Nora zu Van Upp, und man merkte ihr an, dass es ihr peinlich war. »Er hat uns nicht einmal empfangen und seine Frau vorgeschickt, um uns mitzuteilen, dass …«
    »Haben Sie ihr den Ernst der Lage erklärt?«, unterbrach sie Van Upp und zog seinen Mantel aus.
    »Seine Frau hat das ganz klar verstanden«, sagte Nora. »Sie bedauert die Weigerung ihres Mannes genauso wie wir.«
    »Na schön«, sagte Van Upp und ließ sich auf seinen Stuhl fallen. Er nahm eine Zigarette aus der Schachtel vom Schreibtisch und drehte sie zwischen seinen Fingern. »Zumindest ist er jetzt gewarnt.«
    Nora schüttelte den Kopf. Nadal tat unbeteiligt; mit aufeinandergelegten Händen, den Blick zu Boden gerichtet, stand er da wie ein kleiner Junge, der auf seinen Rüffel wartet.
    »Moliner hat seine Frau gebeten, uns eine Nachricht zu überbringen«, sagte Nora.
    Van Upp fixierte sie mit seinem Blick, als wollte er ihre Berichterstattung beschleunigen. Aber er brachte Nora damit nur durcheinander; sie wandte sich ab und musste erst das Zucken ihrer Unterlippe unter Kontrolle

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