Der Spion und der Analytiker
ihres Mannes nichts gewußt hat. Im übrigen würde Ihre Sympathie für Alma ja auch abnehmen, wenn es anders wäre, oder?«
»Sie irren sich, wenn Sie meinen, daß ich Ihnen meine Patientin auf dem silbernen Tablett servieren würde, wenn ich wüßte, daß sie schuldig ist«, sagte Guthrie müde. »Ein Psychoanalytiker beurteilt seine Patienten nicht nach den Maßstäben gängiger Moral. Selbst wenn Alma von den Geschäften ihres Mannes gewußt hätte, wäre sie damit noch keine Verbrecherin. Wenn Sie eine Mörderin zur Frau hätten, würden Sie doch auch nicht glauben, von ihr angesteckt und selber ein Verbrecher zu werden?«
Ogden war belustigt.
»Doktor«, sagte er mit einem nachsichtigen Lächeln, »ich bin ein Mörder und habe zum Glück keine Frau, so daß ich Ihnen schwer antworten kann. Aber ich bin ganz Ihrer Meinung. Entschuldigen Sie, ich wollte Sie provozieren.«
»Gut«, sagte Guthrie, »ich werde Sie auf dem laufenden halten. Aber bilden Sie sich nicht ein, daß Sie mich aus der Sache heraushalten können, wenn Sie Alma einmal gefunden haben, und daß Sie sie dann einfach verschwinden lassen können, als hätte es sie nie gegeben. Wenn ihr irgend etwas zustoßen sollte, gehe ich sofort zur Polizei, das sage ich Ihnen, oder ich informiere die Presse. Mit anderen Worten, ich erzähle alles, ist das klar?«
Ogden erwiderte nichts.
»Hören Sie«, fuhr Guthrie fort, »ich weiß genau, daß Sie sich von Drohungen nicht einschüchtern lassen. Ihr könnt mich umbringen, und ich bin auch überzeugt, daß ihr das macht, wenn es euch in den Kram paßt. Aber dies ist das einzige, was ich tun kann: Alma Schutz zu bieten, soweit ich dazu in der Lage bin.«
»Warum?« fragte Ogden und hob den Blick vorn Tischtuch.
»Was heißt, warum?«
»Gehört Heroismus zu Ihren ärztlichen Pflichten?«
Guthrie sah überrascht aus, als habe Ogden ihm plötzlich eine Wirklichkeit vor Augen gehalten, die ihm unglaublicherweise bisher selber unbekannt gewesen war.
»Ich halte nicht besonders viel von Heroismus, aber in diesem Fall finde ich diese Einstellung richtig. Außerdem ist es ja gar nicht gesagt, daß ich den Helden spielen muß«, schloß er.
Ogden nickte.
»Ich verspreche Ihnen, daß Sie auf dem laufenden gehalten werden …«
»Das reicht mir nicht«, fiel ihm Guthrie ins Wort. »Sie müssen schwören, daß ihr sie nicht verschwinden laßt und ihr Leben nicht gefährdet.«
Ogden seufzte.
»Ich gebe Ihnen mein Wort. Aber vergessen Sie nicht, daß das Leben dieser Frau bereits in Gefahr ist, genau wie das Ihre.«
»Ich weiß genau, daß mein Leben in Gefahr ist, und zwar nicht nur, weil ich Alma Lasko kenne, sondern weil Sie mir so großzügig Dinge erzählt haben, die mich in den Augen des amerikanischen Geheimdienstes mit Sicherheit zur Persona non grata machen. Oder irre ich mich da?«
»Sie sind schwer in Ordnung.«
»Sparen Sie sich Ihre Komplimente, darauf wäre auch der größte Trottel gekommen.«
»Ich meine nicht Ihren Scharfsinn. Ich meine …«, Ogden stockte, »… wie soll ich es bezeichnen?« fuhr er fort, »Ihre Solidarität mit einer anderen Person. Glauben Sie denn, daß Ihre Kollegen sich ebenso verhalten würden?«
Guthrie zuckte ärgerlich die Achseln.
»Das weiß ich nicht, und es ist mir auch gleichgültig. Für wen halten Sie uns eigentlich, für den Jesuitenorden?«
Ogden lachte.
»Ärgern Sie sich nicht, ich wollte Sie nicht beleidigen. Es ist aber doch erstaunlich, wie viele Juden es in der Psychoanalyse gibt. Sie funktioniert ganz ähnlich wie die katholische Kirche mit ihren Mysterien, der sakramentalen Sprache, dem Kardinalskollegium und natürlich der Offenbarung, dem Dogma, das nicht in Zweifel gezogen werden darf. Ganz zu schweigen von den Heiligenbildern …«
»Sie sollten darüber nicht spotten.«
»Warum nicht? Ihre Kollegen haben während der zwei Kongreßtage sogar über Freud gespottet, ihn als ›gehemmt‹ bezeichnet, obwohl er doch in Wirklichkeit nichts anderes war als ein anständiger Mensch, genau wie Sie. Was man von den andern nicht gerade behaupten kann. Diese Herren sind fast alle korrupt, nichts anderes als neidische, unbegabte Söhne.«
»Wer sind Sie eigentlich?« platzte Guthrie entnervt heraus. »Ein James Bond der Couch?«
»Agenten meines Niveaus müssen eben gebildet sein«, sagte Ogden. »Wir führen nicht einfach irgendwelche Operationen durch, sondern wir sind das Gehirn des Dienstes, eine sehr kleine Anzahl von Individuen. Wie Sie
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