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Der Spion und der Analytiker

Der Spion und der Analytiker

Titel: Der Spion und der Analytiker Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liaty Pisani
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diesmal ist es noch nicht zu Ende mit mir.«
    »Haben Sie das oft?« fragte Guthrie, als er wieder auf seinem Platz saß.
    »Ziemlich oft. Aber jetzt ist es vorüber, reden wir nicht mehr davon. Nochmals danke für Ihren Beistand.«
    Guthrie schien nicht sehr überzeugt.
    »Keine Sorge«, sagte Ogden lächelnd. »Beim Dienst genießen wir eine erstklassige medizinische Versorgung. Ich habe eine Bärennatur, zumindest war das letzte Woche beim Check-up noch so.«
    »Woher kommen diese Anfälle?«
    »Ich leide unter Asthma«, erwiderte Ogden.
    »Das habe ich gemerkt. Was ich wissen will, ob Sie gegen irgend etwas besonders allergisch sind.«
    »Ja, gegen Staub.«
    »Asthmatiker, die immer wieder Anfälle bekommen, haben meist die nötigen Mittel dabei. Sie sollten vorsichtiger sein.«
    »Da ich Ihnen ja doch nichts verheimlichen kann, gestehe ich Ihnen, daß ich in meinem ganzen Leben noch nie Asthma gehabt habe. Zumindest bis heute früh.«
    »Verstehe. Dann wird es sich um Angstzustände handeln.«
    Ogden atmete jetzt normal, aber das Beklemmungsgefühl saß immer noch in ihm. Er erinnerte sich an seinen Traum während der Massage.
    »Ist was?« fragte Guthrie freundlich.
    »Erinnerungen«, sagte er ironisch. »Etwas, das sich mit meinem Handwerk schwer vereinbaren läßt.«
    »Das glaube ich«, stimmte Guthrie zu.
    »Es gibt eine sehr große Schublade, in die Leute meines Schlages ihre Vergangenheit hineinstopfen«, fuhr Ogden fort. »Im übrigen glaube ich, daß der Rest der Menschheit sich auch nicht anders verhält. Nur brauchen Leute wie ich eben eine größere Schublade.«
    »Ich habe den Eindruck, daß Ihre Schublade schon überquillt …«
    Ogden lachte.
    »Wahrscheinlich. Ich bin vierzig und mache diese Arbeit jetzt seit zwanzig Jahren. Vielleicht sollte ich mich zurückziehen und Rosen züchten.«
    »Woran haben Sie denn gedacht, als der erste Anfall kam?«
    Ogden breitete bedauernd die Arme aus.
    »Doktor, solche Fragen werden schon seit den Zeiten der Berggasse nicht mehr gestellt.«
    »Aber so eine Frage im Berggasse-Stil wäre wohl für Ihren Fall genau das richtige. Im übrigen brauchen Sie mir ja nicht zu antworten.«
    »Heute früh«, fuhr Ogden fort, »hat mein Masseur, der ja nicht blind ist, meinen ersten Asthmaanfall miterlebt. Eine ziemlich peinliche Sache. Zuvor war ich eingeschlafen und hatte von einer Frau geträumt, die ich vor vielen Jahren kennengelernt habe. Ist das nun interessant, Doktor?«
    »Kommt darauf an.«
    »Eben«, sagte Ogden kühl, »es ist gar nicht interessant. Uns liegt eine ganz andere Frau am Herzen, und jetzt hoffe ich nur, daß nicht Sie einen Asthmaanfall bekommen.«
    Guthrie lachte.
    »Sie wären ein anstrengender Patient, aber es würde großen Spaß machen.«
    »Da wäre ich nicht so sicher, meine Schizophrenie ist sogar überkompensiert, es wäre gefährlich, daran zu rühren. Wahrscheinlich würde ich, wenn ich mich fürs Rosenzüchten entschlösse, schon innerhalb einer Woche in der Klapsmühle landen. Wie Sie sehen, bin ich gar nicht so ahnungslos.«
    »Natürlich«, räumte Guthrie ein. »Aber Sie haben nun mal das Asthma, das kann sehr beschwerlich werden.«
    Ogden zuckte mit den Schultern.
    »Ich finde das ganze Leben beschwerlich. Für mich war in dem Augenblick, in dem man sich um mich gekümmert und meinen kleinen Hintern versohlt hat, klar, daß ich einen Fehler gemacht hatte. Von da an hieß es nur noch anzunehmen, natürlich nicht im religiösen Sinn. Eher schon im psychoanalytischen Sinn: sich als das anzunehmen, was man ist. Wenn ich allerdings von jetzt an jeden zweiten Tag einen Erstickungsanfall bekomme, heißt das wohl, daß ich mich geirrt habe.«
    »Die wenigsten schaffen es, sich als das anzunehmen, was sie sind«, sagte Guthrie. »Ich verdiene meinen Lebensunterhalt mit denen, die es nicht schaffen.«
    Sie saßen eine Weile schweigend da.
    »Wie soll ich mich künftig verhalten?« fragte Guthrie dann.
    »Wie immer. Sie besuchen den Kongreß und empfangen Ihre Patienten. Sie werden ständig von uns bewacht, und ich werde jeden Tag zum Kongreß kommen. Daß Sie mich sofort informieren, wenn Alma sich bei Ihnen meldet, ist ja wohl selbstverständlich.«
    Guthrie wollte etwas erwidern, aber Ogden hielt ihn zurück.
    »Sie brauchen ihretwegen keine Angst zu haben, der Dienst ist ja schließlich nicht die Gestapo, und ich bin nicht Himmler. Wir wollen diese Frau retten. Ich persönlich glaube, daß Ihre Patientin von den unappetitlichen Geschäften

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