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Der Spion und der Analytiker

Der Spion und der Analytiker

Titel: Der Spion und der Analytiker Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liaty Pisani
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gesagt, daß ich gar nicht weiß, wovon Sie reden.«
    Stuart erhob sich.
    »Bewundernswert«, sagte er, ohne Guthries letzte Äußerung zu beachten. Er zupfte seine Weste und das Tweedjackett von hervorragender Paßform zurecht. »Sie sind genau der Verbündete, den wir gebraucht haben, ich bin sehr befriedigt von diesem Gespräch. Kurieren Sie Ogdens Asthma aus und grüßen Sie ihn von mir, er war unauffindbar, als ich in Wien ankam. Ich muß noch heute nach Berlin zurück.«
     
     
    Veronica sah aus dem Schlafzimmerfenster. Es war Wind aufgekommen, die Pappel im Garten neigte sich sanft, große dunkle Wolken breiteten sich am Himmel aus. Es war jetzt sieben Uhr abends, Ogden war um vier gegangen. Zu ihrer Verwunderung machte ihr sein Ausbleiben etwas aus.
    Sie wollte etwas trinken, also ging sie ins Wohnzimmer hinunter, wo sie eine gut bestückte Hausbar vorfand. Als sie gerade dabei war, sich einen Martini zu bereiten, blieb sie mit der Zitronenschale in der Hand plötzlich wie angewurzelt stehen, weil ihr bewußt wurde: dies war nicht ihr Haus, und Lasko würde nicht pünktlich heimkommen, um mit ihr einen Aperitif zu trinken, bevor er sie zum Abendessen ausführte. Sie fühlte sich einer Ohnmacht nahe und klammerte sich an die Tischkante, um nicht umzufallen. Dann begann sie wie damals als Kind vor und zurück zu schaukeln, um den Schmerz zu bekämpfen.
    Ich bin keine Gefangene, sagte sie sich immer wieder, bis ihre Beine wieder stark genug waren. Wenn sie nur gewußt hätte, wohin, hätte sie dieses Haus ja verlassen können, ohne daß irgend jemand sie zurückgehalten hätte. Jedenfalls war es nicht undenkbar, daß Ogden nichts mit der ganzen Sache zu tun hatte und ihr wirklich helfen wollte. Und außerdem, sagte sie sich, würde sie sich lieber von ihm umbringen lassen als von einem anderen.
    Sie hörte ein Auto, das seine Geschwindigkeit drosselte, stand von ihrem Sessel auf und trat ans Fenster, aber der Mercedes fuhr weiter. Das Telefon klingelte, und sie hätte fast abgehoben, hielt sich aber, entsetzt über den Fehler, den sie fast begangen hätte, gerade noch zurück. Das Klingeln hatte aufgehört, fing aber gleich darauf wieder an.
    Da hob sie ab.
    »Veronica?«
    »Ja?«
    »Ich brauche noch eine Stunde. Wie geht es dir?«
    »Es ginge mir besser, wenn du hier wärest.«
    Er antwortete nicht gleich. Vom anderen Ende der Leitung drangen Geräusche aus einem Lokal an ihr Ohr.
    »Es geht mir gut«, sagte sie dann noch, weil sie das Schweigen nicht mehr ertragen konnte.
    »Ich komme bald, mach dir keine Sorgen, du bist da sicher«, sagte er in einem Ton, der ihr ungeduldig erschien. »Jetzt muß ich gehen. Bis später.«
    Veronica haßte das Telefon. Allzu viele Ereignisse in ihrem Leben waren über diese endlosen Leitungen entschieden worden, die sich irgendwo verloren wie die Stimmen, die sie gern zurückgehalten hätte.
    Sie legte den Hörer auf und begann, im Zimmer auf und ab zu gehen. Seit sie ihr Haus nach dem Anruf Laskos verlassen hatte, war sie sich bewußt geworden, wie fremd ihr das eigene Leben war: nicht die Wiener Jahre – die ganz sicher den Schlüssel für das boten, was jetzt geschah – beschäftigten sie in Gedanken, sondern ihre Vergangenheit, vor allem ihr Zusammenleben mit Mantero.
    Wodurch war die alte Wunde wieder aufgerissen, durch die neue Witwenschaft oder durch Ogdens Auftauchen in Wien? Sie wußte nicht viel über ihn. Vor neun Jahren hatte er ihr erzählt, Antiquitätenhändler zu sein, aber später war ihr klar geworden, daß er niemals Antiquitätenhändler gewesen war, sondern eher einer, der es verstand, seinen Weg zu verfolgen, ohne in Fallen zu geraten: ein Mann, der mit Geschick überlebte.
    Nach einer Stunde hörte sie ein Auto anhalten. Sie trat nicht ans Fenster, die Angst war vorüber. Die Haustür ging auf und wieder zu, und Veronica stellte sich darauf ein, ihn zu empfangen. Sie fühlte sich, wie sich vielleicht ihre Mutter gefühlt hatte, als sie zum ersten Mal die Bühne betrat: ihres Talentes sicher, das Publikum im Zaum halten zu können.
     
     
    Guthrie fluchte leise und wählte noch einmal. Endlich erreichte er die Rezeption des De France, aber Ogden war nicht auf seinem Zimmer. Er hinterließ eine dringende Nachricht für ihn.
    Dann kehrte er an seinen Schreibtisch zurück und versuchte zu arbeiten. Wenige Minuten später klingelte das Telefon. Es war Franz, der seinen förmlichen Ton abgelegt hatte.
    »Ausgerechnet Sie«, rief Guthrie fast begeistert

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