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Der Spion und der Analytiker

Der Spion und der Analytiker

Titel: Der Spion und der Analytiker Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liaty Pisani
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Saubermachen war. Die Haushälterin sah zuerst ihren Chef, dann Ogden voller Mißtrauen an.
    »Guten Tag, Herr Doktor. Sie haben heute nacht nicht zu Hause geschlafen …«, kam es mit kaum verhülltem Vorwurf.
    »Ganz richtig. Machen Sie uns bitte einen Kaffee und holen Sie mir dann die schweinslederne Reisetasche. Ich werde ein paar Tage verreisen.«
    Gretes Blick verfinsterte sich nur noch mehr.
    »Heute nacht war hier die Feuerwehr. Zum Glück nur falscher Alarm …«
    »Umso besser«, fiel ihr Guthrie ins Wort. »Beeilen Sie sich bitte.«
    Grete rührte sich nicht.
    »Und die Patienten, was machen Sie mit denen?« fragte sie.
    »Um die wird sich Hilda kümmern. Sie kann allen sagen, ich hätte Grippe. Und daß ich mich melde, wenn ich wieder gesund bin.«
    Grete schüttelte unzufrieden den Kopf und ging die Reisetasche holen. Guthrie packte in kurzer Zeit seine Sachen und gab der grollenden, immer störrischer werdenden Grete letzte Anweisungen. Schließlich fuhren sie zum Flughafen.
    Ogden saß am Steuer, den Rückspiegel fest im Blick.
    »Alles in Ordnung?« fragte Guthrie.
    »Ja, aber ich würde mir keine Illusionen machen. Angenommen, Ihre Einschätzung stimmt, sind wir auf dem Weg dorthin, wo Veronica Zuflucht genommen hat. Im übrigen bleibt uns auch gar keine andere Wahl.«
    Guthrie antwortete nicht. Er starrte geistesabwesend auf die schnell vorüberziehende Landschaft.
    »Worunter leiden Ihre Patienten am meisten, unter der Einsamkeit?« fragte Ogden in einem Ton, der keinen von beiden zu täuschen vermochte.
    Guthrie sah ihn nachdenklich an.
    »Unter der Einsamkeit und unter Überforderung. Natürlich hilft einem die Einsamkeit nicht …«
    »Man darf sich eben nicht bewußtmachen, daß man einsam ist.«
    »Eben …«
    »Erkennen Sie, nach dem, was Sie jetzt wissen, Mantero in Veronicas Schilderungen während der Sitzungen wieder?«
    Guthrie seufzte.
    »Sie hat selten, aber wenn, dann mit großer Anteilnahme von einem Freund gesprochen, der vor ihrer Ehe mit Lasko gestorben ist. Ich dachte, daß es sich um einen Geliebten handelte, den sie aus irgendeinem Grund als Freund ausgeben wollte.« Er machte das Fenster auf und warf seine Kippe hinaus, dabei atmete er die frische Luft tief ein, als hätte er dringend Sauerstoff nötig. »Jetzt ist klar, wen sie gemeint hat. Aber, wie Sie schon gesagt haben, ist die Wirklichkeit leider außer acht gelassen worden …«
    »Es wäre für jeden schwierig gewesen, da durchzublicken«, sagte Ogden.
    »Richtig, aber ich bin nicht irgendeiner, sondern ihr Psychoanalytiker.«
    Sie schwiegen ein paar Minuten, dann sagte Ogden leise:
    »Veronica hat diesen Mann geliebt. Als ich sie kennenlernte, war sie verzweifelt, ja, sie war nahe daran, den Verstand zu verlieren. Ich habe sie nur wenige Tage erlebt, aber lang genug, um zu begreifen, daß ich möglichst schnell von ihr weg mußte.«
    »Woran können Sie sich aus jener Zeit noch erinnern?«
    »An ihre Erstarrung. Veronica hing buchstäblich am Leben dieses Mannes, schwer zu sagen, was sie mit ihrem eigenen Leben angefangen hat. Ich kann mir vorstellen, daß unter solchen Umständen ein Abwehrmechanismus einsetzt, eine Art Bewegungsunfähigkeit.«
    »Ja«, räumte Guthrie ein, »aber nur bei denen, die sich nicht zu entziehen versuchen, auch nicht zum eigenen Schutz: das ist eine Art Heldensyndrom. In solchen Fällen kann man nur durchhalten, wenn man den Atem anhält und sich ganz auf das einläßt, was mit einem geschieht. Da ist dann so lange kein Raum für anderes, bis die Ursache des Ganzen sich erschöpft. Aus so einer Erfahrung kann man kaum ohne dauerhafte Schäden hervorgehen. Was werden Sie tun, wenn wir sie finden?«
    Ogden antwortete nicht gleich.
    »Ich weiß nicht«, sagte er schließlich. »In meiner Lage habe ich ihr nicht viel zu bieten; aber ich kann ihr immer noch mit meinem Leib als Schutzschild dienen«, schloß er ironisch.
    Sie erreichten den Flughafen. Ogden parkte das Auto, stellte den Motor ab, machte aber keine Anstalten auszusteigen.
    »Verfluchte Geschichte …«, murmelte er.
    Guthrie machte die Wagentür auf.
    »Gewiß. Und es ist noch nicht einmal gesagt, daß wir die Welt retten werden«, sagte er und klopfte ihm auf die Schulter. »Los jetzt, sonst verpassen wir das Flugzeug.«
     
     
    Veronica beobachtete von ihrem Hotelfenster aus das Verkehrsgewimmel tief unter sich und fühlte sich dabei an einen Schwarm Leuchtkäfer erinnert. Es herrschte bereits jenes indigoblaue Dämmerlicht, das

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