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Der Spion und der Analytiker

Der Spion und der Analytiker

Titel: Der Spion und der Analytiker Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liaty Pisani
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melancholischen Jungmädchenjahre wie aus einem Roman des neunzehnten Jahrhunderts, die Jugend dramatisch, als hätte sie die Hauptrolle in einem Autorenfilm gespielt, und ihr Erwachsenendasein schließlich mit so vielen Verwicklungen wie in einer Seifenoper. Wer hätte daraus etwas Gutes machen können?
    Das Taxi bremste scharf, und der Fahrer schimpfte über einen Motorradfahrer, der ihm direkt vor die Räder gefahren war. Veronica sah hinaus, sie befanden sich auf einer Straße im Zentrum mit eleganten Gebäuden. Sie erkannte ein Wohnhaus, in das sie in ihrer Schulzeit oft gegangen war, um eine Freundin zu besuchen, an deren Namen sie sich jetzt nicht mehr erinnern konnte.
    »Folgt uns der Mercedes noch?« fragte sie den Fahrer.
    »Ja«, erwiderte der Mann, »der läßt nicht locker.«
    »Dann lassen Sie mich an der nächsten Bushaltestelle raus.«
    Der Mann drehte sich zu ihr um:
    »Wollen Sie nicht zur Polizei?«
    »Nein, das sind Familienangelegenheiten …«
    »Wie Sie meinen«, sagte der Taxifahrer nicht gerade überzeugt. »Jedenfalls«, fuhr er fort und reichte ihr eine Visitenkarte nach hinten, »hier haben Sie unsere Telefonnummern. Wenn Sie ein Taxi brauchen, können Sie unsere Zentrale anrufen und mich verlangen, vor allem, wenn Sie nach auswärts wollen. Wir sind anständig und bieten schnellen Service. Hören Sie«, fuhr er dann fort, »ich weiß nicht, was mit Ihnen los ist, aber Sie sind eine anständige Person, dafür haben wir Taxifahrer einen sechsten Sinn. Wenn Sie etwas brauchen, können Sie mich auch zu Hause anrufen, meine Privatnummer steht auf der Karte. Abends gehe ich selber dran und tagsüber, wenn ich im Dienst bin, nimmt meine Frau ab. Wenn Sie mich nicht antreffen, hinterlassen Sie ihr eine Nachricht, ja?«
    Veronica nickte und steckte die Karte in die Handtasche.
    »Sehr freundlich. Ich kenne hier niemanden. Vielen Dank.«
    Der Fahrer war langsam an den Straßenrand gefahren.
    »Hier ist eine Metrostation«, sagte er und deutete auf die Treppe gleich vor ihnen. »Steigen Sie in eine Linie Richtung Zentrum: wenn Sie einen Bus nehmen, bleiben die Ihnen immer auf den Fersen. Ich werde versuchen, diesem Kerl ein wenig Zeit zu rauben.«
    »Tun Sie das nicht«, wehrte Veronica ab. »Ich will nicht, daß Sie meinetwegen Schwierigkeiten bekommen.«
    Der Fahrer zuckte lächelnd die Achseln.
    »Ich habe immer davon geträumt, daß ein Fahrgast mal zu mir sagt: ›Verfolgen Sie dieses Auto.‹ Es ist nicht ganz das gleiche, aber trotzdem spannend. Ich habe noch eine alte Beule neben dem Nummernschild, die soll der Kerl mir bezahlen. Jetzt, schnell, steigen Sie aus«, rief er und machte ihr die Wagentür auf. »Beeilen Sie sich und drehen Sie sich nicht noch lange um.«
    Veronica stieg aus dem Taxi und lief zur Treppe der Metrostation. Der Fahrer wartete den richtigen Augenblick ab, fuhr vom Straßenrand los, und als er sicher war, den Mercedes hinter sich zu haben, bremste er. Der Mercedes fuhr heftig auf ihn auf.
    Als sie das Blech aufeinanderknallen hörte, drehte Veronica sich um. Der Taxifahrer war ausgestiegen und gestikulierte herum; der Mann aus dem Mercedes achtete nicht auf ihn, er sah ihr nach.
     
     
    Der Morgen graute schon. Der Audi durchquerte die menschenleere Stadt, die fahl im ersten Licht des Tages dalag. Ogden und Guthrie kehrten, nachdem sie das konspirative Haus verlassen hatten, ins De France zurück. Im gemeinsamen Gefühl, eine Niederlage erlebt zu haben, schwiegen sie.
    Guthrie quälte sich mit dem Gedanken, daß er Alma ein ganzes Jahr lang behandelt und ihr doch nicht geholfen hatte; vor lauter Deutungswut hatte er das Augenfällige nicht beachtet.
    Er sah die Palais, Parks, Plätze, Denkmäler wie in einer Laterna magica an sich vorüberziehen: Wien hatte mit all dem, was ihnen geschah, nichts zu tun, und gerade deshalb erschien ihm die Stadt besonders schön. Ich bin genau wie diese Paranoiker, dachte er, die glauben, daß alles interpretierbar ist.
    Ogden brach das Schweigen.
    »Wir nehmen jetzt ein Zimmer im De France«, sagte er, »da können Sie zwei Stunden ausruhen, und dann beschließen wir, was zu tun ist. Ich werde Ihren Rat brauchen: wenn Sie die letzte Fehlhandlung Ihrer Patientin nicht ganz schnell interpretieren, werden wir sie nie mehr finden.«
    Guthrie warf sich sofort aufs Bett, als er in seinem Zimmer war. Er fühlte sich sehr erschöpft, war aber zu erregt, um Schlaf zu finden. Er nahm den Hörer ab und wählte seine eigene

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