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Der Spitzenkandidat - Roman

Der Spitzenkandidat - Roman

Titel: Der Spitzenkandidat - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wilhelm Braumüller <Wien>
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Steins Kindheit und Jugend bekannt? Hat die Partei diese Informationen bewusst zurückgehalten?“
    Entsetzt starrte er die Fragestellerin an, sie war deutlich jünger als der Durchschnitt. Hilfesuchend nahm er Augenkontakt mit Wagner auf, der ebenso überrascht war.
    „Jeder Mensch hat Anspruch auf eine Privatsphäre, auch Politiker. Herr Stein hat für sich dieses Recht reklamiert, die Parteiführung hat das respektiert.“
    Die Frau ließ nicht locker: „Hat das damit zu tun, dass er seit über 20 Jahren keinen Kontakt zu seinen Eltern gehabt hat?“
    „Dazu kann ich nichts sagen. Oder wollen Sie zur Sippenhaft zurückkehren und einen Politiker nur deshalb verurteilen, weil er Probleme im Elternhaus hatte? Wenn jeder von uns über ein schwarzes Schaf in seiner Familie reden würde, dann säßen wir noch in einer Woche hier.“
    Gut pariert, lobte Wagner seinen Chef in Gedanken. Zustimmendes Lachen und Feixen, die Leute im Saal waren auf Bitters Seite. Er drehte sich schon vom Rednerpult weg, als sich die Frau ein weiteres Mal meldete.
    „Wie erklären Sie die Gerüchte, dass der Fall Uwe Stein Parallelen zum Fall Uwe Barschel aufweist? Halten Sie es für denkbar, dass auch Herr Stein in illegale Geschäfte verwickelt war?“
    Bitters Gesichtsfarbe wechselte von blass zu puterrot. Im Saal kam Unruhe auf. Erneut wanderte sein Blick zu Wagner, der regungslos auf seinem Stuhl saß, registrierte wie Bitter nach Luft schnappte und dann Maß nahm:
    „Nun ist aber Schluss, meine Dame. Aus der Luft gegriffene Unterstellungen gegen einen Menschen, der sich nicht wehren kann. Wollen Sie das Andenken an Uwe Stein besudeln? Kommen Sie aus Kreisen, wo man üble Nachrede cool findet? In meiner Welt sind dafür Anwälte zuständig.“
    Die Frau blieb ruhig, es war nicht zu fassen:
    „Ich habe nichts unterstellt, sondern Fragen gestellt.“
    „Werden Sie nicht scheinheilig!“, fauchte Bitter. „Unser Spitzenkandi… unser früherer Spitzenkandidat war niemals in illegale Geschäfte verwickelt. Um welche illegalen Geschäfte sollte es sich denn überhaupt handeln? Wir sind hier nicht in einem Kriminalfilm, auch nicht in Sizilien oder St. Petersburg. Wir sind in Niedersachsen, mitten in Europa. Wir leben in einem Land, in dem Demokratie und Rechtsstaatlichkeit garantiert werden. In Niedersachsen funktionieren die Justizbehörden noch, meine Dame! Und ich kandidiere für das Regierungsamt, mir ist es ernst um unser schönes Niedersachsen. Ich danke Ihnen für Ihr Kommen.“
    Der Applaus war verhaltener als bei seinem Einzug vor einer Stunde. Jetzt, wo alles zu spät war, kam endlich Bewegung in Wagner. Er ging zu der Frau und sprach mit ihr.
    „Was war das eben, verdammt noch mal?“, fragte Bitter wenig später entnervt.
    „Eine Redakteurin eines unbedeutenden Lokalblattes, Emsnachrichten, sie heißt Annegret Winkler.“
    „Das Blatt gehört doch Günther Maurer? Einer von uns, oder?“
    Wagner nickte. „Gut so, komm, lass uns nach Hause fahren.“ Wenn Albi aufgeregt war, verfiel er ins Du.
    Sie hatten Meppen noch nicht hinter sich gelassen, als Bitter schon mit dem Verlagsleiter, der in Personalunion Chefredakteur war, telefonierte. Ein langjähriges Parteimitglied, im elektronischen Verzeichnis gespeichert. Er hörte sich Bitters aufgebrachten Bericht an und versprach, umgehend mit der jungen Kollegin zu sprechen.
    Zehn Minuten später rief er zurück, nannte sie „übereifrig“ und „unerfahren“ und sagte: „Ich habe sie ins Gebet genommen. Sie wird künftig vorsichtiger sein.“
    „Was hat sie über ihre Quelle gesagt?“, fragte Bitter. „Wer hat ihr den Stuss mit den illegalen Geschäften gesteckt? Und welche sollen das überhaupt sein? Immobilien? Oder gar Waffen?“
    Der Chefredakteur war offenbar abgelenkt. „Jetzt nicht, Frau Höhne“, sagte er zu jemandem in seiner Nähe. „Kommen Sie in zehn Minuten wieder.“
    Dann wandte er sich wieder Bitter zu. „Halten Sie sich fest. Frau Winkler hat mit Steins Mutter gesprochen, die wohnt in Papenburg im Altersheim. Angeblich war es die Mutter, die Andeutungen gemacht hat. Sie würde ihrem Sohn alles Mögliche zutrauen, auch die Verstrickung in illegale Geschäfte und deshalb sei er – so soll die alte Dame gemutmaßt haben – umgebracht worden.“
    „Das ist alles? Weil eine senile Frau eine unhaltbare Vermutung von sich gibt, stört Ihre Redakteurin meine Veranstaltung mit ihren Unterstellungen! Das ist Sabotage! Die muss weg! Raus mit

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