Der Spitzenkandidat - Roman
der!“
„Ganz ruhig, Herr Bitter. Noch ist ja nichts weiter passiert. Wenn wir jetzt überreagieren, machen wir alles nur noch schlimmer. Sie wird zum Arbeitsgericht laufen und es gibt einen Riesenaufstand. Mit interessierten Medien! Das wollen Sie bestimmt nicht. Frau Winkler als Heilige und Gralshüterin der Pressefreiheit, die Partei in der Rolle des Bösewichtes.“
„Okay, die Botschaft ist angekommen.“
„Ich kann Sie beruhigen. Nichts davon wird morgen in der Zeitung stehen. Sie können sich auf einen positiven Bericht über Ihren Auftritt freuen. Was den Mord betrifft, habe ich veranlasst, ab sofort jeden Bericht vorgelegt zu bekommen. Vorab!“
Bitter entspannte sich, lehnte sich zurück. Der Chefredakteur erkundigte sich nach dem Stand der Ermittlungen und gab Bitter Gelegenheit, sich abzureagieren: „Ich sitze dem Innenminister ständig im Nacken. Aber Sie kennen ihn ja. Er hat die Ruhe weg. Ich frage mich, ob diese Frau Hauser die Ermittlungen richtig leitet. Sie soll eine der Erfolgreichsten ihres Faches sein, hat seinerzeit die Staatskanzleimorde aufgeklärt. Fritz schwört auf sie und den Direktor des LKA. Den will er sogar in sein Ministerium holen. Ende des Jahres wird die Stelle des Leiters der Polizeiabteilung vakant. Aber das behalten Sie für sich. Jedenfalls meint dieser Herr Ritter, dass die Hauser sein bestes Pferd im Stall ist.“
Dann sagte der Chefredakteur etwas, was Bitters Blut erneut in Wallung brachte: „Ich muss doch noch mal damit anfangen, weil mir der Gedanke keine Ruhe lässt. Vielleicht ist ja etwas dran an dem Verdacht. Natürlich ist Steins Mutter nicht mehr die Frischeste, aber ich halte viel vom Instinkt alter Leute. Niemand kann in einen anderen Menschen hineinsehen, auch Sie nicht. Niemand kann ausschließen, dass Stein in Geschäfte verstrickt war, die außerhalb der Legalität lagen. Der Mann war viele Jahre Anwalt und Treuhänder, er war mit den unterschiedlichsten Leuten und Milieus in Kontakt gekommen. Manchmal kommt die Verführung direkt auf einen zu.“
„Vergessen Sie’s, Maurer! Ich gebe zu, dass Stein Fehler hatte, mit einigen ist er mir gehörig auf den Senkel gegangen, das dürfen Sie mir glauben. Aber mit Kriminellen zusammenarbeiten – das ist dann doch noch mal was anderes.“
Als das Gespräch beendet war, forderte Bitter seinen Mitarbeiter auf, sich in der Journalisten-Szene umzuhören. War das Gerücht von den illegalen Geschäften schon dabei, sich auszubreiten?
„Nun ja“, druckste Wagner, „Bianca Fröhlich hat mich auf der Trauerfeier angesprochen. Dass es Parallelen zum Fall Barschel geben könnte.“
Bitter schlug mit der Faust auf die Rückenlehne des Vordersitzes, der erschreckte Fahrer verriss den gepanzerten Audi. Der Vorsitzende regte sich auf, weil er erst mit Verzögerung von den atmosphärischen Störungen erfuhr.
„Es sind doch nur Spekulationen“, wiegelte Wagner ab. „Journalisten mutmaßen viel, wenn der Tag lang ist.“
Erneut griff Bitter zum Telefon und machte sich auf die Suche nach dem Innenminister. Dieser befand sich auf der Innenministerkonferenz in Schwerin, sein Handy war ausgeschaltet, Bitter wurde immer übellauniger. „Ist mir scheißegal, holen Sie ihn gefälligst ans Telefon“, brüllte er die Sekretärin an.
Zehn Minuten später hatte er den Minister in der Leitung und informierte ihn über den Vorfall auf der Veranstaltung. Schuld daran seien die schleppenden Ermittlungen. Ohne Fakten würden die Journalisten beginnen, sich Geschichten auszudenken. Der Minister wiegelte ab, berichtete über den geplanten Einsatz der Spürhunde.
Bitter war nicht besänftigt: „Wenn, wenn, wenn. Seit Tagen höre ich nichts anderes von dir. Ich brauche einen Täter, wir alle brauchen einen Täter.“
„Mein Gott, Albi, die Aufklärung eines Mordfalles lässt sich nicht kalkulieren. Du hast doch selbst vor einigen Tagen über Steins kriminelle Geschäfte spekuliert.“
„Ja, aber doch nur unter uns. Und ich habe auch gesagt, dass das niemand erfahren darf, wenn es zutrifft, weil es die Partei zerreißen würde. Dann wird dieser verdammte Mord eben nicht aufgeklärt. Wäre ja nicht der erste.“
„Es ist nicht irgendein Mord, es geht um einen prominenten Mann. War schon schwierig genug, die Prügeleien und das Gift zu vertuschen. Einen Mord kann ich nicht vertuschen.“
„Das hatten wir schon und du hast versprochen, eine Lösung zu finden. Mit den Drahtziehern in Kontakt zu treten, einen Deal zu machen
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