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Der Spitzenkandidat - Roman

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Titel: Der Spitzenkandidat - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wilhelm Braumüller <Wien>
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her.
    Es war Wächter, der den Faden wieder aufnahm. „Ich habe zum wiederholten Mal munkeln hören, dass er nach der Wahl auch den Parteivorsitz anstrebt.“
    „Deshalb sitzen wir zwei Hübschen zusammen.“
    „Und ich frage mich die ganze Zeit: Was mag Albi von dir wollen? Will er mit dir zusammen in Urlaub fahren?“
    Sie waren so vertraut miteinander, dass Frotzeleien möglich und geduldet waren.
    „Das werde ich zu verhindern wissen“, behauptete Bitter. „Falls Stein vorhat, Prinz Größenwahn zu geben, wird er sich noch wundern. Ich habe nicht vor, in die zweite Reihe zurückzutreten. Nicht in meiner Partei, ich mag nämlich die erste Reihe, und die Partei mag mich. Kandidat für das höchste Regierungsamt ist die eine Sache, Vorsitzender der Partei etwas völlig anderes. Dafür braucht es Stallgeruch und der geht Stein ab. Wie sagtest du, er ist nützlich für die Partei. Von Liebe war keine Rede. An der Spitze braucht die Partei eine Seele, Stein hat keine. Außerdem: Mich kennen die Leute seit Jahrzehnten, wissen, was sie an mir haben.“
    „Überleg dir das gut, Albi. Stein mag dir zwar wie ein Kennedy aus der norddeutschen Tiefebene vorkommen, aber er hat in den letzten Monaten eifrig Basisarbeit betrieben, auch wenn davon nicht viel nach außen gedrungen ist. Die meisten Kreisvorsitzenden hat er hinter sich gebracht. Die Jugendorganisationen finden bekanntlich alles gut, was nicht alt ist. Und die Frauenvereinigung … Dass du mit der Peters nicht kannst, weiß ja jeder.“
    „Welcher Mann, der seine fünf Sinne beisammen hat, kann schon mit der Quoten-Peters. Der Regierungschef steht doch auch mit ihr auf Kriegsfuß“, knurrte Bitter und beugte sich weit über den Tisch. „Deine Seniorenvereinigung ist die stärkste Gliederung. Würdest du mir bitte bestätigen, dass ich auf euch zählen kann.“
    „Worauf willst du hinaus, Albi? Auf eine Kampfkandidatur?“
    „Genau das. Mann gegen Mann.“
    Wächter wich Bitters Blick aus.
    „Mensch Albi, denk mal darüber nach. Wir sind Auslaufmodelle, Stein gehört die Zukunft.“
    „Wenn die Zukunft in diesem Land Männern wie Stein gehört, Prost Mahlzeit! Er funktioniert wie ein Roboter, weiß auf alles eine Antwort, ist effizient, kompetent, extrem sachlich, ein Manager eben. Aber eine Partei ist kein Konzern, in dem es um Renditen und Zahlen geht. Die Parteien sind die Basis der Demokratie, sie spiegeln das gesellschaftliche Zusammenleben wider. Willst du, dass unser Land wie ein Großkonzern geführt wird? Willst du das?“
    Wächter trank seinen letzten Schluck aus, stellte das Glas beiseite.
    „Wenn es nach mir ginge, kannst du natürlich auf mich zählen. Aber sehen wir der Sache ins Auge: Auch ich habe einen Vorstand, den ich nicht übergehen kann. Im Vorstand sitzen Frauen, wenn die Stein sehen, kriegen sie weiche Knie.“
    „Die sind in der Minderheit, eine oder zwei, mehr habt ihr doch nicht.“
    „Drei, um genau zu sein. Die machen Krach für zehn.“
    „Lag ich doch gar nicht so weit daneben. Drei von zwanzig. Das erledigst du zwischen zwölf und Mittag. Zur Not werden sie überstimmt. Zwing mich nicht, dich daran zu erinnern, wem du deinen Posten verdankst, auf dem du warm und trocken sitzt.“
    „Du musst mich nicht daran erinnern, mein Gedächtnis funktioniert noch gut.“
    „Ich kann also auf dich zählen, wenn es zum Schwur kommt?“
    Wächter zögerte nur kurz, aber er zögerte. Dann schlug er in Bitters ausgestreckte Hand ein. Der Pakt war besiegelt. Zwei in die Jahre gekommene Parteigrößen gegen den Emporkömmling. Bitter bat um die Rechnung und ließ sich aus alter Gewohnheit den Beleg geben. Warum selber zahlen, wenn es die Partei übernahm?
    Er war zufrieden. Und falls Wächter doch noch umfallen würde, würde er eben die Königskarte ziehen. Auch er war in den letzten Wochen nicht untätig geblieben, hatte sich intensiv mit den dunklen Seiten des Spitzenkandidaten beschäftigt. Abgründe, die Stein bislang mit Geschick im Verborgenen gehalten hatte, hatten sich aufgetan. Die Sache mit dem Passwort zu seinen, Bitters Dateien, das Stein sich mit unlauteren Methoden verschafft hatte zum Beispiel. Nicht zu vergessen, dass Stein einen Schnüffler auf ihn angesetzt hatte. Wenn das herauskäme, würde es den Parteifreunden gar nicht gefallen. Mit Genugtuung stellte er sich Steins entsetztes Gesicht vor, sollte er ihn irgendwann vor vollendete Tatsachen stellen.

6
    Die Fahrt von Celle nach Eschede war ein Genuss. Sonne,

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