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Der Spitzenkandidat - Roman

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Titel: Der Spitzenkandidat - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wilhelm Braumüller <Wien>
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Soll sie sich austoben. Mit dir möchte ich über ein anderes Ministerium sprechen, Kultur. Ich würde es dir liebend gern übertragen. Du würdest deinen Job gut machen. Aber es geht nicht. Die Braunschweiger bestehen darauf, dass Schneider das Kultusministerium bekommt.“
    Marion spülte die Enttäuschung mit einem großen Schluck Rotwein herunter und sagte: „Die Lehrergewerkschaft wird auf die Barrikaden gehen. Wenn er sich zur Schulpolitik äußert, was selten genug passiert, gibt es jedes Mal Ärger.“
    „Ich weiß, aber auf die Gewerkschaften müssen wir nicht auch noch Rücksicht nehmen. Schneider ist kein übler Kerl, gradlinig, kantig. Er wird mir nicht in den Rücken fallen. So wie Albi. Albi intrigiert gegen mich und er hat Mitstreiter. Die von gestern. Die Fraktion ‚Weiter so und bloß nichts ändern‘. Auf Schneider kann ich mich verlassen, und du stellst die fachliche Kompetenz sicher. Deshalb will ich dich als Staatssekretärin.“
    Spontan wollte Marion ablehnen. Sie mochte Schneider nicht, sein gönnerhaftes Auftreten reizte sie. Er blieb immer an der Oberfläche, sie ging gern in die Tiefe. Sie blickte in müde Augen, die sie erwartungsvoll anblickten. Er sah schlecht aus, urlaubsreif und übermüdet.
    „Ich weiß nicht“, sagte sie unschlüssig. „Als schulpolitische Sprecherin der Fraktion habe ich mehr Gestaltungsmöglichkeiten.“
    Eine Hand lag auf ihrer Hand. „Ich brauche dich in meiner Regierung, Marion. Es gibt niemanden in der Partei, dem ich mich so nahe fühle wie dir. Ich vertraue dir, nicht Schneider. Schneider reist nur auf dem richtigen Ticket. Auf der Braunschweig-Card.“
    „Ich soll Schneider kaltstellen?“
    „Versuch es im Guten. Berate ihn, schlage ihm deine Projekte vor. Er wird auf dich hören, das wäre gut. Oder er wird nicht auf dich hören und scheitert. Dann habe ich bei der Nachfolge freie Hand. Die fachlich kompetente Staatssekretärin ist immer die erste Wahl. Nenn mir eine Fraktion, die das anders sieht.“
    Marion machte kurzen Prozess mit dem Wein.
    „Ich weiß nicht, Uwe. Ich will eine neue Etappe nicht mit der Absicht beginnen, andere Menschen hereinzulegen. Das fühlt sich nicht gut an.“
    „Du siehst das zu dramatisch. Schneider wird dir doch aus der Hand fressen. Weil er dich mag, das hat er mir selbst gesagt. Damit steht er nicht allein. In der Fraktion kenne ich einige Männer, die … Es gibt ein weiteres biologisches Argument: Der Mann ist 61, nach Ablauf der Legislaturperiode wird er in den Ruhestand treten. Wenn ihr miteinander klarkommt, wird er dich höchstpersönlich als seine Nachfolgerin vorschlagen. Wenn nicht, wirst du Wege finden, damit umzugehen. Du hast den Vorteil, dass dir die Tür des Regierungschefs offen steht, wenn es Konflikte gibt. Du wirst in meinem Büro keinen zweiten Staatssekretär treffen.“
    Den Satz würde sie ihm nie vergessen.

7
    Knapp einen Kilometer entfernt trafen sich zur gleichen Zeit zwei Männer: Peter Hansen, Vorstandsvorsitzender der Tawes AG, und Ralf Hübner, Vorsitzender des Betriebsrates. Gelassen hinter seinem Schreibtisch sitzend der eine, erregt durch den Raum hin- und hermarschierend der andere. Die Tawes AG, ein wirtschaftliches Schwergewicht, beschäftigte weltweit 120.000 Mitarbeiter, allein 10.000 am Standort Hannover. Die Firma war einer der führenden Anbieter von Antriebstechnik und Fahrzeugelektronik. Das Büro des Vorstandsvorsitzenden strahlte Behaglichkeit aus. Obgleich von den Maßen her an einen Tennisplatz erinnernd, war die Einrichtung geschmackvoll, zierten farbenfrohe Ölgemälde die Wände, waren die Vasen gefüllt mit üppigem Blumenschmuck, alles der fürsorglichen Sekretärin des Vorsitzenden zu verdanken. Vom zehnten Stock bot das Büro einen fantastischen Blick auf Hannover, der erst in den Ausläufern des angrenzenden Deister, dem nördlichsten deutschen Mittelgebirge, ein Ende fand.
    Trotz der Hitze trug Hansen einen Anzug, sogar eine Krawatte. Hübner gab die volkstümliche Fraktion: verschwitzt, kurzärmeliges Sporthemd, das bestenfalls praktisch zu nennen war.
    „Eine verdammte Schweinerei ist das!“, stieß er hervor. „Hier steht die Existenz von über tausend Familien auf dem Spiel. Aber das interessiert das Arschloch natürlich nicht. Genauso wenig wie das andere Arschloch namens Rausch.“
    Hansen zuckte zurück, als habe man ihn geschlagen. Hübners bisweilen krachlederne Ausdrucksweise hörte er nicht zum ersten Mal, aber er würde sich nie daran

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