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Der Sprung ins Jenseits

Der Sprung ins Jenseits

Titel: Der Sprung ins Jenseits Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Clark Darlton
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wenn man die Wiedergeburt der Seele als Tatsache akzeptiert. Trotzdem habe ich Angst davor.«
    »Nicht die Wiedergeburt der Seele, sondern ihre Unsterblichkeit«, verbesserte Yü.
    »Das Leben der Menschen würde sich ändern.«
    »Wir hätten eine andere Zivilisation – oder vielmehr: Wir hätten überhaupt keine Zivilisation, sondern eine Kultur. Vielleicht begreifst du nun, warum wir in unserem Kloster so leben, wie unsere Vorfahren vor einigen hundert Jahren lebten. Es hat sich nichts geändert. Es muß sich nichts ändern. Wozu? Radio oder Fernsehen wären überflüssig. Denn der Wissende hört und sieht, was im fernsten Winkel der Welt vor sich geht. Er braucht dazu keine Geräte. Er braucht auch keine Waffen, denn die Seele ist unangreifbar. Jedes Transportmittel ist für den Wissenden überflüssig, denn er kann von einer Sekunde zur anderen zum entferntesten Punkt der Erde gelangen, wenn er will. Natürlich müßte er seinen Körper zurücklassen, denn eine Seele kann keine Materie transportieren. Nur sich selbst, das Bewußtsein und die Erinnerung.«
    Mir fiel wieder eine Frage ein, die offengeblieben war.
    »Du sagtest vorhin, daß du deinen Körper verlassen kannst und dir einen neuen suchst. Wenn du nun nicht in ein Neugeborenes eindringst, sondern in einen erwachsenen Menschen – was ist dann? Er hat doch schon eine Seele, oder nicht?«
    Yü nickte.
    »Meine Seele dringt in einen anderen Körper ein, und gleichzeitig in ein anderes Bewußtsein. Es kommt oft vor, daß die bereits in dem anderen Körper lebende Seele sich gegen mein Eindringen wehrt, aber das ist nicht immer der Fall. Der Mensch vereinigt dann eben zwei Persönlichkeiten in einem Körper – er ist schizophren.« Yü lächelte. »Nun hast du dafür auch eine Erklärung.«
    Schizophrenie gehörte zu jener Art von Geisteskrankheiten, die immer öfter auftraten. Bewußtseinsspaltung nannte man es auch. Ein Mensch bildete sich plötzlich ein, eine ganz andere Person zu sein. Eine Heilung gab es nur in den seltensten Fällen.
    In diesem Augenblick traf mich die Erkenntnis wie ein Schlag.
    »Aber das würde doch bedeuten, daß es noch viel mehr Menschen gibt, die das Geheimnis der Seele kennen!«
    »Es gibt mehr, als wir ahnen können. Die absolute Beherrschung des Ichs gehört zu den Geheimwissenschaften. Man kennt diese Geheimwissenschaften im zivilisierten Westen meist nur dem Namen nach. Im Osten sind sie mehr verbreitet. Besonders in China und Indien. Ich glaube aber, daß sie hier in Tibet entstanden sind. Wenigstens glaubt das mein Onkel. Er hat auch Verbindung mit anderen Wissenden, aber ich gehöre noch nicht zu den Eingeweihten. Du hättest heute nicht so viel von mir erfahren, wenn du mir nicht deine beiden Erlebnisse geschildert hättest. Sie haben mir bewiesen, daß deine Seele die Wolkendecke des Vergessens zu durchbrechen suchte. Das beweist eine gewisse Selbständigkeit deines Bewußtseins und den Willen, den Zustand der Symbiose von Körper und Seele bald aufzugeben. Ich weiß nicht, was geschieht, wenn das ohne die nötige Vorbereitung erfolgt. Es ist besser, wir denken nicht darüber nach. Du bist jetzt hier bei mir, und ich werde dir helfen.« Er stand auf und legte mir die Hand auf die Schulter. »Es ist besser, wir gehen jetzt schlafen. Du wirst von der anstrengenden Reise ziemlich müde sein. Morgen reden wir weiter. Ich verstehe, daß das neue Wissen dir zu schaffen macht. Wenn du nicht einschlafen kannst, so schließe die Augen, bleibe ganz ruhig liegen und sage zu dir zehnmal: Ich werde schlafen – ich werde schlafen … Aber sag niemals: Ich will schlafen!«
    Ich stand auf.
    »Und du glaubst, daß das hilft?«
    Er brachte mich bis zur Tür und öffnete sie. Draußen im Gang war alles dunkel.
    »Natürlich wird es dir helfen. Du darfst dich nur nicht auf das Wollen, sondern auf das Werden konzentrieren. Du wirst ja sehen. Gute Nacht, Alan.«
    »Gute Nacht, Yü – und vielen Dank für alles.«
    In meiner Zelle entzündete ich die Öllampe und ging dann zum Fenster. Draußen war alles dunkel, denn es war Neumond. Nur die Sterne waren zu sehen, und sie standen in nie gesehener Pracht am Himmel. Yü hatte recht. Hier war man der Unendlichkeit viel näher als in Europa. Einen Augenblick glaubte ich, die Sterne mit den Händen greifen zu können. Aber dann lächelte ich über mich selbst. Ich zog mich aus, wusch mich und holte den Schlafanzug aus dem Koffer. Ein Stückchen Zivilisation, dachte ich.
    Später, als ich im

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