Der Sprung ins Jenseits
Wiedergeburt?«
Ich nickte.
»Habe ich es selbst nicht zweimal erlebt? Ich habe mich an Dinge erinnert, die ich unmöglich wissen konnte. Dinge, die sich vor meiner Geburt ereigneten. Ich gebe zu, daß die Erinnerung sehr verschwommen ist, aber sie ist zweifellos vorhanden. Ich bin sogar davon überzeugt, daß es anderen Menschen genauso gegangen ist – sie haben nur nicht darauf geachtet. Der Gedanke der Reinkarnation ist zu phantastisch, um im heutigen Zeitalter noch verstanden werden zu können. Ich aber sehe darin nur die Antwort auf viele Fragen, die bisher unbeantwortet geblieben sind.«
»Sehr richtig, Alan. Was das Leben nach dem Tode angeht, so sind sich alle irdischen Religionen einig. Jede behauptet, auf diese oder jene Art, daß der Tod kein endgültiger Abschluß ist. Es muß also auch hier eine unbewußte Erinnerung existieren, die in den verschiedenen Mythen ihren Ausdruck findet. Und dieser Ausdruck wiederum ist der Mentalität der verschiedenen Völker und Rassen angepaßt, die sich die entsprechende Religion zu eigen machten.« Er seufzte. »Also gut, wir wissen nun, daß jede Seele unsterblich ist und nach dem Tod den Körper verläßt, um einen neuen zu suchen. Nun geschieht dabei aber folgendes: Wenn die Seele den Körper verläßt, so läßt sie auch die Erinnerung an das vergangene Leben zurück. Sie schlüpft in den Körper eines Neugeborenen und beginnt dort von vorne. Völlig unbelastet wächst sie mit dem Kind, lernt und speichert neues Wissen. Sie bekommt eine neue Erinnerung. Alles Vergangene ist gelöscht. Selten nur kommt es vor, daß der Sonnenstrahl der Erinnerung durch die Wolkendecke des Vergessens bricht. Du hast es zweimal erlebt. Ich hatte mir vorgenommen, diese Wolkendecke restlos zu beseitigen.« Er sah mich an. »Es ist mir gelungen.«
Diesmal war ich nicht überrascht.
»Du meinst damit das, was du als bewußtes Erleben deiner Seele bezeichnest?« fragte ich.
»Ja, genau das meine ich. Aber nicht nur das, sondern noch mehr. Ich meine damit, daß ich meine Seele dazu bringen kann, meinen Körper, den du hier vor dir siehst, zu verlassen, um einen neuen zu finden. Mit anderen Worten: Es ist kein Problem für mich, Körper und Geist zu trennen. Die Menschheit kennt beides nur als eine Einheit, und doch sind es zwei ganz verschiedene Dinge. Sie bilden eine Symbiose, wenn du so willst. Der Körper braucht die Seele und den Geist, wenn er denken will. Und die Seele braucht den Körper, wenn sie das, was sie denkt, ausführen will. So ergänzen sie sich und bilden die vollkommenste Symbiose, die es je im Universum gab. Mein Bewußtsein kann also meinen Körper verlassen und einen neuen aufsuchen, und zwar einen erwachsenen Körper – das ist ein großer Unterschied. Ein Säugling würde mir nichts nützen.«
Ich erschrak. Was mir Yü da enthüllte, war phantastisch. Die Konsequenz dessen, was er da andeutete, war so gewaltig, daß ich keine Worte der Entgegnung fand. Ich konnte ihn nur anstarren und schweigen.
Yü lächelte.
»Es dauerte acht Jahre, bis es mir zum erstenmal gelang. Ich habe meinem Onkel viel zu verdanken, denn er war es, der mir den Weg zeigte. Es gehört dazu die völlige Abgeschlossenheit und das Abschalten aller störenden Einflüsse. Die Gewißheit, ganz allein zu sein, ist die Vorbedingung. Wenigstens am Anfang. Später kannst du auch allein sein, wenn du von Menschen umgeben bist. Das ist der höchste Grad der Vollkommenheit.«
Es gelang mir, eine sachliche Frage zu stellen.
»Was geschieht mit deinem Körper, wenn du ihn verläßt – ich meine, wenn deine Seele ihn verläßt?«
»Er ist scheinbar tot. Wenn die Seele den Körper verläßt, so hat das nichts mit einem körperlichen Tod zu tun. Ein Exitus tritt erst dann ein, wenn die Körperzellen selbst ihre Existenz aufgeben. Es laufen genug Menschen herum, die keine Seele haben. Sie haben ein Gehirn und einen Verstand, aber sie wissen damit nichts anzufangen. Wenn ich meinen Körper verlasse, gebe ich meinem Gehirn den Befehl, zu schlafen. Und es schläft, bis ich zurückkehre. Es würde so lange schlafen, bis der Körper stirbt.« Er strich sich über die Augen. Dann sah er mich wieder an. »Auch solche Fälle hat es schon gegeben. Es gibt genug Menschen, die in den Hospitälern Monate oder Jahre schlafen. Sie werden künstlich ernährt. Die Wissenschaft steht hier vor einem Rätsel. Du weißt jetzt die Lösung.«
»Ich glaube«, sagte ich, »daß es für alle Phänomene eine Antwort gibt,
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