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Der Sprung ins Jenseits

Der Sprung ins Jenseits

Titel: Der Sprung ins Jenseits Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Clark Darlton
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bewegte mich nicht, und auch ein Heben und Senken der Brust war nicht festzustellen. Ich saß wie tot auf der Bank. Ich sank noch tiefer, bis ich mich fast hätte berühren können. Mit dem, das, wie ich annehmen mußte, meine Hand war, auch wenn ich sie nicht sehen konnte, griff ich an meine Brust. Ich griff hindurch, als sei ich nicht vorhanden. Es war wie ein Schock, und unwillkürlich stieg ich mehrere Meter empor. Tief unter mir lagen das Kloster, der grüne Garten, das Hochplateau und weiter unten die Steinwüste. Ich sah ein paar winzige, dunkle Punkte – das waren Mönche. Irgendwo hörte ich den Bruder Steinmetz arbeiten.
    Das Kloster …!
    Ich vergaß den Körper auf der Steinbank und dachte an meine Zelle. Kaum war das geschehen, da schwebte ich auch schon in ihr. Bloßes Wunschdenken schien zu genügen, mich an jeden beliebigen Ort zu bringen.
    Auf dem Tisch lagen noch die Bücher, in denen ich gelesen hatte. Das Bett war frisch gemacht, und einer Laune folgend, setzte ich mich darauf. Die Polster wurden nicht eingedrückt. In diesem Augenblick öffnete sich die Tür, und Yü Fang betrat den Raum. Er sah sich suchend um, schüttelte den Kopf und schloß die Tür. Er blieb stehen und betrachtete sinnend den leeren Stuhl und die Bücher auf dem Tisch.
    Mein erstes Erschrecken wich einer inneren Freude. Ich begann zu glauben, daß ich es geschafft hatte. Ich wollte es Yü sagen, aber ich konnte nicht. Ich hatte keine Stimme. Wie sollte ich mit ihm in Verbindung treten, wenn ich keinen Körper besaß?
    Yü Fang sah in meine Richtung, aber sein Blick ging durch mich hindurch. Ein rätselhaftes Lächeln huschte über sein Gesicht, dann schüttelte er wieder den Kopf, drehte sich um und verließ meine Zelle. Laut und deutlich hörte ich das Schließen der Tür. Dann verhallten seine Schritte in der Ferne.
    Ein verrückter Gedanke ergriff von mir Besitz, eine wahnwitzige Idee. Ich wünschte mir, in Heidelberg zu sein …
    … und ich war in Heidelberg.
    In einer Höhe von zwei oder drei Kilometern schwebte ich unsichtbar über der Neckarstadt. Der Fluß wand sich durch die grünen Hügel der Landschaft, und an einem dieser Hänge erkannte ich deutlich das alte Schloß. Die Stadt breitete sich wie eine Reliefkarte unter mir aus. Die Sonne stand noch nicht sehr hoch; es war früher Vormittag.
    Ich sank langsam tiefer. Ich sah die großen Busse, die Autos, die neue elektrische Schnellbahn und die Menschen. Ich schwebte dicht über den Dächern der Stadt dahin, in jede Richtung, die ich wünschte. Es war ein traumhaftes Erlebnis.
    Mitten auf der neuen Neckarbrücke entdeckte ich ein bekanntes Gesicht. Ich ging tiefer, um es mir genauer anzusehen. Es war Professor Lech vom Astronomischen Institut. Während unserer Studentenzeit hatten wir manchen Streich zusammen ausgeheckt. Aber heute galt er als äußerst ernsthafter Wissenschaftler und erfolgreicher Astronom.
    Ich wäre am liebsten zu ihm gegangen und hätte ihm auf die Schulter geklopft, wenn ich das gekonnt hätte. Aber ich war ja eine körperlose Seele. Ich konnte mich nicht mit ihm in Verbindung setzen. Er hätte auch einen schönen Schreck bekommen, denn er mußte mich ja in Tibet vermuten. Als ich genau über ihm schwebte, verlangsamte er seine Schritte, zögerte – und blieb stehen. Er wandte den Kopf und sah nach oben. Dann setzte er langsam seinen Weg fort. Mehrmals sah er sich noch beunruhigt nach allen Seiten um, dann verschwand er im Menschengewühl der Uferpromenade.
    Ich stieg wieder höher. Warum hatte Professor Lech zu mir hochgesehen? Hatte er meine Gedanken gespürt – oder was sonst? Zweifellos ging von mir ein gewisses Fluidum aus, das er aufgefangen hatte. Er hatte es nur nicht deuten können. Ich war davon überzeugt, daß es mir mit der Zeit gelingen würde, auch als körperlose Seele eine Verbindung zum menschlichen Gehirn herzustellen.
    Plötzlich erschrak ich. Ich dachte an meinen leblosen Körper auf der Steinbank des tibetanischen Klosters. Wenn ich nicht rechtzeitig zu ihm zurückkehrte …
    Mit einem Ruck schnellte die Sonne ein Stück von Osten nach Westen – und unter mir lag das Kloster. Wie ein Stein stürzte ich hinunter und fand meinen Körper unversehrt und allein auf der Steinbank.
    Der Rest war einfach.
    Ich erwachte.
     
    Es war wirklich so, als erwachte ich aus einem Traum. Ich hatte schon als Kind geträumt, daß ich fliegen könnte. Schwerelos konnte ich mich dann in die Lüfte erheben, und es endete regelmäßig

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