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Der Sprung ins Jenseits

Der Sprung ins Jenseits

Titel: Der Sprung ins Jenseits Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Clark Darlton
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damit, daß ich in die Tiefe stürzte – und rechtzeitig wach wurde. Manche Wissenschaftler behaupten, diese Träume seien nur eine vage Erinnerung an die Vergangenheit der Menschheit. Damals, so führen sie weiter aus, wäre bei vielen Menschen die Fähigkeit der Levitation keine Besonderheit gewesen. Sie konnten kraft ihres Geistes die Schwerkraft überwinden.
    Wie dem auch sei, ich hatte diese Träume genossen. Und heute hatte ich das erstemal einen solchen Traum bewußt erlebt. Die Loslösung meiner Seele vom Körper hatte natürlich nichts mit Levitation zu tun, aber das Resultat war ähnlich gewesen. Nur mit dem Unterschied, daß ich zum Schluß nicht abstürzte, sondern zielbewußt in meinen Körper zurückkehrte.
    Ich war aufgestanden und in meine Zelle zurückgegangen. Als Yü später zu mir kam, berichtete ich ihm von meinem Erlebnis. Er zeigte sich sehr erfreut und sagte:
    »Du hast es geschafft, Alan. Das war der schwierigste Schritt, und nun hast du ihn hinter dir. Nun wird alles schneller gehen, und ich kann dir dabei helfen. Wenn du ganz sicher bist, können wir gemeinsam unsere ersten Ausflüge unternehmen.«
    »Ausflüge? Wohin?«
    »Zu den Menschen außerhalb des Klosters. Dazu ist es notwendig, daß wir einen Treffpunkt vereinbaren, sonst würden wir uns verlieren. Ich glaube nicht, daß wir jetzt schon in der Lage sein werden, uns ohne Körper miteinander zu verständigen. Wir besitzen natürlich die Fähigkeit dazu, aber uns fehlt die Übung.« Er ging zur Tür. »Ich lasse dich jetzt allein, damit du weitere Erfahrungen sammeln kannst. Meinem Onkel geht es nicht gut. Ich fürchte, er wird bald sterben.«
    Yüs Onkel mußte jetzt schon über achtzig Jahre sein. Er gehörte zu den Wissenden, und ich hatte mich oft gewundert, daß er sein Leben in diesem einsamen Kloster verbrachte. Oder tat er es nur, um die letzte Reife zu gewinnen? Ich fragte mich, was geschehen würde, wenn er starb.
    »Grüße ihn von mir«, sagte ich. »Hoffentlich geht es ihm bald wieder besser.«
    »Wir werden bald Abschied von ihm nehmen müssen«, sagte Yü. »Abschied von seinem Körper, meine ich.«
    Er verließ meine Zelle und schloß die Tür.
    Sicherlich besaß der alte Abt die Fähigkeit, seinen Körper zu verlassen. Was würde er tun, wenn er starb? Würden Yü und ich jemals Gelegenheit finden, wieder mit ihm in Verbindung zu treten? Würde er sich einen neuen Körper suchen und zum Kloster zurückkehren? Ich wußte es nicht, und vielleicht würde ich es nie erfahren.
    Yü hatte gesagt, ich solle Erfahrungen sammeln. Das war leichter gesagt als getan. Es gehörte nicht nur die notwendige Konzentration, sondern auch glückliche Umstände dazu. Als ich draußen auf der Bank gesessen hatte, war ich vielleicht doch ein wenig eingenickt. Hier, in meiner Zelle, war es kühl. Ich saß auf dem Bett und starrte vor mich hin. Ich versuchte mir vorzustellen, wie es wäre, wenn ich bewußt meinen Körper verließ. Es dauerte nur wenige Minuten, bis ich den Zustand völliger Versenkung erreichte – wie ich es wollte. Die wenigen Geräusche aus dem Garten, die in meine Zelle drangen, verstummten. Die Welt dort draußen hörte für mich auf zu existieren. Es war wie der Übergang vom Wachsein zum Schlaf. Ich glitt hinüber in das Unerklärliche, das Unwirkliche.
    Und diesmal gelang es mir ganz bewußt.
    Ich löste mich von meinem Körper und schwebte einige Meter über ihm. In der gleichen Sekunde sah ich, daß mein Körper zusammensackte und nach hinten fiel. Hart schlug der Kopf gegen die Steinmauer. Aber ich spürte keinen Schmerz. Ich sah nur, wie ich seitlich auf das Bett fiel und reglos liegenblieb. Aus einer Wunde am Hinterkopf sickerte Blut.
    Ich erschrak. Hastig kehrte ich in meinen Körper zurück – und in der gleichen Sekunde setzte der Schmerz ein.
    Langsam richtete ich mich auf und betastete meinen schmerzenden Hinterkopf. Ich fühlte, wie sich langsam eine Beule bildete. Ich ging zum Waschtisch, befeuchtete das Handtuch mit kaltem Wasser und legte es auf die Wunde. Ich ging wieder zum Bett zurück und setzte mich. Ich hatte wieder etwas hinzugelernt: Auf keinen Fall durfte ich meinen Körper verlassen, wenn ich stand oder ohne Rückenlehne auf dem Bett oder irgendeiner anderen Sitzgelegenheit saß. Ich mußte mich vorher hinlegen. Ich begriff die Gefahr, in der ich geschwebt hatte. Was wäre zum Beispiel geschehen, wenn ich so unglücklich gestürzt wäre, daß ich mir das Genick gebrochen hätte? Ich hätte

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