Der Sprung ins Jenseits
mir bitte sagen, was Sie zu mir führt?«
Er bot uns Plätze an, und wir setzten uns. Wir hatten nicht die Absicht, Dr. Halström etwas zu verschweigen. Er hatte etwas sehr Seltsames erlebt und das, was wir ihm zu sagen hatten, war nicht weniger seltsam. Wir hofften, daß er uns glauben würde.
Yü berichtete. Er tat es in kurzen, knappen Worten und versäumte es nicht, auch wissenschaftliche Argumente einzuflechten. Dr. Halström hörte sehr interessiert zu. Sein Gesichtsausdruck schwankte zwischen höflicher Ablehnung und unverhohlenem Mißtrauen. Schließlich zeigte er offen seine Ablehnung. Als Yü geendet hatte, sah er uns eine Weile zweifelnd an. Dann sagte er:
»Ich muß bitten, zur Kenntnis zu nehmen, daß ich ein aufgeklärter Europäer bin. Außerdem bin ich noch Wissenschaftler und habe einen ausgezeichneten Ruf als Astronom. Was ich erlebt habe, war keine Phantasterei, sondern sehr reale Wirklichkeit. Sie aber berichten Dinge, die mir zwar aus mystischen Erzählungen bekannt sind, die ich aber für unmöglich halte. Der Mensch mag eine Seele haben, wenn ich auch diesen Begriff mehr aus philosophischer Sicht betrachte. Ich glaube jedoch nicht, daß die Seele etwas Greifbares ist und daß man sie bewußt aus dem Körper entfernen kann. Ich glaube nicht an eine unsterbliche Seele in Ihrem Sinn.« Er sah auf die Uhr. »Darf ich Sie darauf aufmerksam machen, daß meine Zeit sehr knapp ist.«
Yü lächelte, als Dr. Halström das sagte.
»Ich hatte gehofft, ohne Demonstration auszukommen, aber Sie lassen mir leider keine andere Wahl.«
Dr. Halström starrte ihn an.
»Was meinen Sie mit – Demonstration? Sind Sie vielleicht in der Lage, Ihre Behauptungen hier und jetzt zu beweisen?« Er lehnte sich im Sessel zurück. »Bitte, ich habe nichts dagegen.«
Yü lächelte wieder.
»Ich sehe, Sie haben dort eine sehr bequeme Couch. Gestatten Sie, daß ich mich hinlege? Meine Seele wird meinen Körper verlassen, der hilflos zurückbleibt. Er wird sterben – wenn Sie es so nennen wollen. Ihre Haushälterin ist eine unkomplizierte Person, ich werde mich also ihrer bedienen. Es wird nicht schwer sein, ihr Bewußtsein für wenige Minuten auszuschalten. Sie ist doch immer sehr höflich zu Ihnen, Dr. Halström? Sie werden sehen, daß sie es in wenigen Minuten nicht mehr sein wird. Würde Ihnen das als Beweis genügen?«
Dr. Halström nickte zögernd.
»Sie meinen, Sie werden dann meine Haushälterin sein? Das klingt unglaublich. Frau Merten ist von ausgesuchter Höflichkeit. Ich kann mir nicht vorstellen, daß sie es einmal nicht wäre. Es handelt sich doch nicht um Fernhypnose?«
»Selbstverständlich nicht.« Yü erhob sich und legte sich auf die Couch. Er schloß die Augen. Leise sagte er: »Es dauert nicht lange. Sie werden gleich sehen, daß ich aufhöre zu atmen. In diesem Zustand genügt die reine Porenatmung, um den Körper am Leben zu erhalten.«
Dr. Halström starrte gebannt auf Yü. Ich beobachtete beide und blieb ruhig sitzen. Yü hörte auf zu atmen und bewegte sich nicht mehr. Ich wußte, daß seine Seele bereits unterwegs war.
Sekunden später öffnete sich die Tür, ohne daß angeklopft wurde. Die Haushälterin stürmte ins Zimmer und baute sich vor Dr. Halström auf.
»Genügt das als Beweis meiner Unhöflichkeit, oder soll ich einen Teller zerschlagen? Regen Sie sich nicht auf, ich bin nicht Ihre Haushälterin, sondern Ihr Besucher Yü Fang.« Sie ging zur Tür und blieb dort stehen. Sie drehte sich noch einmal um. »Und jetzt, mein lieber Doktor, werde ich – Yü Fang – diesen Körper verlassen. Ich werde in meinen eigenen zurückkehren. Beides geschieht gleichzeitig. Während ich mich auf dem Sofa aufrichte, wird diese gute Frau hier stehen und nicht wissen, wie sie hereingekommen ist. Passen Sie gut auf.«
Alles geschah genauso, wie Yü es angekündigt hatte. Er richtete sich auf der Couch auf und setzte sich hin. An der Tür aber stand die arme Haushälterin und starrte Dr. Halström verwundert an. Dann murmelte sie:
»Herr Doktor, Sie haben mich rufen lassen?«
Dr. Halström hatte sich unglaublich schnell gefaßt.
»Eh … ja … bringen Sie uns Kaffee, bitte.«
Die Haushälterin verschwand. Yü kam und setzte sich wieder in seinen Sessel.
»Meine Seele hätte natürlich im Körper Ihrer Haushälterin bleiben können. Sie wäre Ihnen dann hin und wieder ein wenig schizophren vorgekommen, aber das wäre auch alles gewesen. Mein Körper aber, der dort drüben auf der Couch lag,
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