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Der Sprung ins Jenseits

Der Sprung ins Jenseits

Titel: Der Sprung ins Jenseits Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Clark Darlton
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Milliarden Bruchteile von Erinnerungen ergeben zusammengesetzt die volle Wahrheit – aber wie wollte man das vollbringen? So aber lebt der Mensch allein mit dem, was er zu seinen Lebzeiten lernt und was er behält. Das, was früher war, mußte er vergessen. Manchmal nur gibt es Ausnahmen. Ich glaube, du verstehst, was ich damit sagen will.«
    »Ja, ich verstehe«, sagte ich. Ich verstand plötzlich alles. Es war nicht mehr nötig, darüber zu sprechen.
    »Wann wirst du gehen?« fragte ich.
    »Morgen. Wir haben noch diesen Abend für uns. Wir werden uns eine gute Flasche Wein kommen lassen und uns unterhalten. Es gibt so viel, worüber wir sprechen können.« Er sah mein etwas betrübtes Gesicht. Ruhig legte er mir die Hand auf den Arm. »Ich sagte schon einmal, es ist kein Abschied für immer. Du wirst auf der Erde deine Nachforschungen anstellen, ich im Universum. Und eines Tages werden wir wieder zusammentreffen – hier, oder dort draußen im Unendlichen. Also kein Grund zur Trauer, Alan. Wir haben viel Zeit, denn das Leben endet nie.«
    Es wurde ein langer Abend, dann nahmen wir Abschied.
    Ich wußte, daß die Pensionsinhaberin am anderen Morgen den Arzt holen würde. Denn im Nebenzimmer würde ein Mann liegen, der nicht mehr aufwachte.
    Ein Mann, der keine Seele mehr besaß.
     
    Da ich lästigen Fragen ausweichen wollte, zog ich aus der Pension aus und suchte ein kleines Hotel. Hier konnte ich sicher sein, nicht gestört zu werden. Es gab nicht viele Menschen auf dieser Welt, die weniger besaßen als ich. In meinem kleinen Koffer befanden sich Toilettenartikel, Unterwäsche, zwei Hemden – das war alles. Ich trug einen einfachen, dunklen Anzug. Es war der einzige, den ich hatte. Aber ich brauchte nicht mehr, denn auf der anderen Seite war ich reicher, als alle Menschen der Welt: Ich hatte die Unsterblichkeit.
    Ich warf einen letzten Blick auf meine Habseligkeiten, auf das schmale Bett unter dem Fenster, auf den einfachen Kleiderschrank an der Wand, dann verließ ich mein Zimmer. Ich wollte ein wenig Luft schnappen. Auch hatte ich Hunger.
    Am Rande der Stadt waren die Straßen nur wenig belebt. Ich lenkte meine Schritte in den Englischen Garten und setzte mich auf eine Bank. Die Sonne schien noch warm. Ich schloß die Augen und lauschte dem Gezwitscher der Vögel. Ich dachte nach.
    Ich hatte nie viel von jenen Hypnotiseuren gehalten, die auf Jahrmärkten ihre Vorstellungen gaben. Sie mochten noch so erstaunliche Experimente vorführen, ich wurde den Verdacht nie los, daß die Medien mit ihnen unter einer Decke steckten. Erst später, als ich mich näher mit der Materie befaßte, merkte ich, daß Hypnose nicht viel mit Wahrsagerei und Taschenspielertricks zu tun hat. Echte Hypnose war eine Wissenschaft. Es wird die Zeit kommen, in der die Menschen das erkennen – vielleicht erst in Jahren, vielleicht erst in Jahrzehnten.
    Um meinen Weg in die Vergangenheit zu finden, würde ich Hypnose anwenden müssen. Da ich niemanden ins Vertrauen ziehen konnte, müßte ich es selbst versuchen. Mir blieb keine andere Wahl. Ich hatte auch mit Yü darüber gesprochen und er hatte mir beigepflichtet. Er gab mir Ratschläge, die mir viel Zeit und Mühe ersparen würden. Heute abend noch würde ich den ersten Versuch starten.
    Das Experiment ›Vergangenheit‹.
    Ich mußte wohl halb eingeschlafen sein, denn plötzlich schreckte ich hoch. Jemand hatte sich neben mich gesetzt. Ich öffnete die Augen und sah ein junges Mädchen, das mich mit einem kurzen Blick streifte. Dann nahm es ein Buch aus ihrer Tasche und begann darin zu lesen.
    Zum erstenmal wurde mir bewußt, wie einsam ich war. Ich hatte niemanden auf dieser Welt, mit dem ich sprechen konnte, dem ich mich anvertrauen konnte. Außer Yü hatte ich keine Freunde.
    Ich hätte sie gern angesprochen, aber sie würde es bestimmt mißverstehen. Welcher Mann sprach schon ein Mädchen an, ohne Hintergedanken zu haben? Wie sollte sie glauben, daß ich mich mit ihr nur unterhalten wollte? Ich schloß wieder die Augen. Es war sinnlos, auf diese Art eine Bekanntschaft anknüpfen zu wollen. Die Wahrheit konnte ich ihr nicht sagen, und über belanglose Dinge wollte ich nicht schwätzen. Was also hätten wir reden wollen?
    Eine Weile später spürte ich, daß sie das Buch wieder wegpackte und aufstand. Ich hielt die Augen geschlossen und hörte, wie sich ihre Schritte langsam, fast zögernd entfernten. Vielleicht hatte sie doch erwartet, angesprochen zu werden.
    Als ich die Augen

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