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Der Sprung ins Jenseits

Der Sprung ins Jenseits

Titel: Der Sprung ins Jenseits Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Clark Darlton
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wieder aufhellt und du wieder sehen kannst. Finde jenes Ereignis, das die Decke durchbricht, die über deiner Erinnerung liegt. Geh zurück, immer weiter zurück …«
    Die Zelte, das Lagerfeuer, der Fluß, der Wald, meine Freunde – sie alle verschwanden, und es wurde wieder dunkel um mich.
    Wieder fiel ich.
    Dann war es plötzlich wieder hell.
    Das erste, was ich verspürte, war ein furchtbarer Schmerz. Dann bemerkte ich den Rauch, der aus einem Holzstoß zu meinen Füßen hervorquoll und mich einhüllte. Die ersten Flammen züngelten empor und griffen nach meinem Kleid. Dann hörte ich das Knistern des Feuers und das Johlen der Menge um mich herum.
    Ich stand auf einem Scheiterhaufen – und ich war eine Frau.
    Mit dieser Erkenntnis, die mich wie ein Schlag traf, kehrte auch die Erinnerung zurück – die Erinnerung an mein zu Ende gehendes Leben. Sie kehrte aber nur in Bruchstücken, in Fetzen ohne Zusammenhang zurück. Ich konnte mein Leben nicht auf einmal übersehen, sondern erinnerte mich nur an einzelne Episoden. Es war ein heldenhaftes Leben gewesen, ein Leben voller Kampf und Unrast. Ich erinnerte mich an eine ruhige, idyllische Kindheit in einem kleinen französischen Dorf. Dann kam lange nichts, und als die Erinnerung wieder einsetzte, befand ich mich auf einem Schlachtfeld. Ich trug eine Fahne, und um mich waren Männer. Nichts als Männer. Wieder wurde es dämmerig, und als die Erinnerung zurückkehrte, sah ich, daß ich vor einem Gericht stand. Man sagte, ich sei eine Hexe und müsse verbrannt werden.
    Und dann stand ich wieder auf dem Scheiterhaufen. Die Flammen loderten höher und höher. Der Schmerz wurde unerträglich. Ich begann zu stöhnen.
    »Was ist?« fragte meine Stimme, die doch nicht meine war.
    »Ich weiß nicht. Ich kann mich nicht erinnern. Ich verbrenne.«
    »Es wird wieder dunkel um dich, du kehrst weiter zurück in deine Vergangenheit. Du siehst nichts mehr, du spürst nichts mehr. Wandere weiter zurück durch Raum und Zeit …«
    Die Flammen erloschen, der Schmerz verschwand. Wieder wurde es dunkel um mich. Und als es abermals hell wurde, besaß ich keinen Körper.
    Ich schwebte im Nichts. Um mich herum waren andere, die ich zwar sehen, aber nicht fühlen oder hören konnte. Ich konnte ihre Gedanken verstehen, aber sie sprachen nicht. Ihre Körper waren hell und durchscheinend. Sie sahen aus wie Geister. Ich wußte nun, daß ich eine Periode zwischen Tod und Wiedergeburt erlebte. Ich begann mich zu fragen, ob das alles real sei, oder ob es nur unter Einwirkung der Selbsthypnose zustande kam. War ich wirklich in die Vergangenheit zurückgekehrt, oder war es nur eine Art Realerinnerung? Ich wußte, daß ich mich selbst in Hypnose versetzt hatte, um die Erinnerung meiner Seele zu wecken. Ich wußte aber nicht, ob es nur die Erinnerung war, die mich das alles erleben ließ.
    Es war mir unmöglich, jetzt nach Belieben in der Zeit vor- oder zurückzugehen. Ich erlebte nur den Augenblick der Gegenwart. Vielleicht später einmal, wenn ich mehr Erfahrung besaß, würde ich gezielt durch Raum und Zeit wandern können. Dann gehörte mir die Ewigkeit, wie Yü es vorausgesagt hatte.
    Ich hatte das Gefühl, daß es für heute genug sei. Ein wenig widerstrebend gab ich mir den Befehl, wieder in die tatsächliche Gegenwart zurückzukehren.
    Von einer Sekunde zur anderen verschwanden die Astralleiber, die mich umschwebten. Ich lag wieder in meinem Hotelbett und öffnete die Augen. Es war dunkel im Zimmer.
    Die Erinnerung an das, was ich im Zustand der Hypnose erlebt und gesehen hatte, blieb. Es war mir endgültig gelungen, die Erinnerung meiner Seele zu wecken, sie in mein Bewußtsein aufzunehmen – und für immer zu behalten.
    Damit hatte ich fast den letzten Schritt getan und die letzte Schwelle überschritten. Nun gab es nicht mehr viel, was mich von den allerletzten Geheimnissen trennte.
    Und für mich als Gelehrten und Geschichtsforscher gab es kein größeres Geheimnis als die Frage: Wer war der Mensch, und woher kam er?
    Ich war fest entschlossen, dieses Rätsel zu lösen.
     

 
8.
     
    Einige Wochen später sah ich mich gezwungen, München zu verlassen. In dieser Zeit hatte ich meine Fähigkeit derart vervollkommnet, daß ich in jede beliebige Zeitepoche zurückkehren konnte. Aber nun waren meine Geldmittel erschöpft, und ich sah keine Möglichkeit, sie zu erneuern. Zwar besaß ich alle Erkenntnisse dieser Welt, aber davon allein konnte ich nicht leben, solange ich einen Körper hatte.

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