Der Stachel des Skorpions
wir nähern uns möglicherweise dem Punkt, an dem unsere internen Schwierigkeiten eine ebenso große Gefahr sind wie Angriffe von außen. Machen wir uns nichts vor: Der derzeitige Zustand der Republik bietet einer Menge Leute reichlich Grund zur Unzufriedenheit.«
Niemand antwortete. Koss setzte zu einer Entgegnung an, überlegte es sich aber anders.
»Also, hier ist unser Schlachtplan. Wir haben ein paar Videoaufzeichnungen des Aufstands. Wir müssen jeden Zentimeter absuchen, feststellen, wer in der Menge ein Aufrührer ist, und alles tun, was in unserer Macht steht, um den Gesichtern Namen zuzuordnen. Zweitens: Falls sie etwas Großes planen, brauchen sie
Feuerkraft. Wir müssen so viele Routen ins Stadtgebiet überwachen wie möglich und versuchen, sie dabei zu erwischen, wenn sie Schusswaffen, Bomben oder irgendetwas anderes ins Stadtgebiet bringen. Und drittens...« Heather atmete tief durch. »Wir müssen uns jeden vorknöpfen, von dem wir wissen, dass er Verbindungen zur Gründerbewegung hat.«
Koss versuchte zu unterbrechen, doch Heather sprach weiter. »Ich versuche nicht, alle über einen Kamm zu scheren. Ich kenne eine Menge Mitglieder der Gründerbewegung, die ich als Patrioten betrachte. Aber wenn es irgendjemanden gibt, der uns einen Hinweis in die richtige Richtung geben kann - eine Verbindung zu den extremen Elementen der Bewegung -, dann sind es diese Leute.«
Alle anderen im Raum, selbst Koss, nickten.
»Heißt das«, fragte Santangelo, »dass Sie selbst mit einigen Ihrer Kollegen reden werden?«
Heather verzog das Gesicht. »Genau das meine ich. Am Vorabend der Wahl werde ich einen Teil der anderen Paladine fragen, ob sie Verbindungen zu Verrätern und Aufrührern haben.« Sie griff sich ihren Compblock und wandte sich zur Tür. »Das werden bestimmt unterhaltsame Gespräche.«
Duncan folgte ihr, als sie den Raum verließ, einen kleinen Kommunikator am Ohr. Sie hatte ihn nicht klingeln gehört.
»Paladinin GioAvanti, ich höre gerade, dass die Bewaffnete Bruderschaft Belgien behauptet, in Verbindung zum Sturmhammer zu stehen...»
Büro des Ritters der Sphäre Cray Stansill, Genf, Terra Präfektur X, Republik der Sphäre
6. Dezember 3134
»Er ist diskret«, stellte Cray Stansill fest. »Daran ist nichts Ungesetzliches.«
Er war auf Abwehr eingestellt. Jonah zog sich zurück. »Nein, nein, natürlich nicht. Ich will den Mann auch nicht in Schwierigkeiten bringen. Ich möchte nur etwas über ihn erfahren.«
Stansill machte keinen sonderlich überzeugten Eindruck. Er beugte sich in seinem Sessel vor und zog die Brauen zusammen, versuchte, die Umgebung auf Jonah wirken zu lassen und ihn einzuschüchtern -obwohl Jonah ein Paladin war und er selbst nur ein Ritter.
Es funktionierte nicht. Jonah war den ganzen Tag von einem Regierungsbüro ins andere gepilgert, und inzwischen sahen sie für ihn alle gleich aus. Wenn er das ganze Jahr nur ein oder zwei betrat - das eigene mitgerechnet -, fiel ihm die Tristheit nicht auf, die alle Amtsstuben der Regierung verband. Überall standen der gleiche lackierte Schreibtisch, die gleichen hohen Regale, der gleiche Ledersessel für den
Besitzer, der gleiche harte Stuhl für den Besucher. Kleine Details wie die Familienbilder auf dem Tisch wechselten zwar, aber der grundsätzliche Eindruck blieb derselbe.
Innerhalb von zwei Tagen voller Gespräche hatte Jonah eine beachtliche Akte über Henrik Morten angehäuft. Der Mann war tatsächlich beeindruckend diskret. Er hinterließ eine lange Spur zufriedener Auftraggeber, aber keinen echten Beweis für illegale Aktivitäten. Reichlich Gerüchte und Andeutungen, aber nicht ein Beweis.
Die Spur, die Jonah zu Stansill geführt hatte, wirkte recht gewunden. Er hatte mit zwei Rittern, vier Senatsassistenten und einer Hand voll Politikern niedrigeren Niveaus gesprochen, und ein paar von ihnen hatten Stansill als jemanden erwähnt, der wiederum Morten bewundernd erwähnt hatte.
Großartig, wie weit ich in zwei vollen Tagen gekommen bin, dachte Jonah. Ich betrachte schon jemanden, der bloß etwas Nettes über einen anderen gesagt hat, als >Spur<.
Stansill schien in Ordnung zu sein, ein Ritter, dem seine Stellung gefiel, und dem es mehr darum ging, der Republik zu dienen, als Karriere zu machen. Sein melierter Bürstenhaarschnitt ließ ihn wie einen Kadetten mittleren Alters in der Grundausbildung aussehen. Aber die Nachricht von Jonahs Aktivitäten hatte sich durch das ganze Bürogebäude verbreitet, und Stansill
Weitere Kostenlose Bücher