Der Stachel des Skorpions
fühlte er sich bei diesem Rückfall in die schlechten Angewohnheiten seiner Jugend, auch wenn es für einen guten Zweck war. Was ich für die Republik nicht alles auf mich nehme, dachte er. Ich sollte zu Hause auf Kervil bei Anna sein, statt hier allein zu saufen.
Nach einem Tag voller Gesprächstermine hatte Jonah bei der Rückkehr in die Pension Flambard eine Nachricht von Ex-Sergeant Turk erwartet, der um ein Treffen bat. Von einem Termin zum nächsten, dachte Jonah. Ich bin zu einem Politiker geworden. Er sehnte sich gerade danach, dass jemand versuchte, ihn umzubringen. Allein schon, um die Monotonie zu durchbrechen.
Nachdem er die Nachricht gelesen hatte, die in Madames präziser Handschrift an der Rezeption für ihn bereitgelegen hatte, hatte er seine normale Kleidung gegen die Arbeiterkluft getauscht und sich durch den Hintereingang der Pension geschlichen.
So kurz vor der Wahl konnte er nicht sicher sein, ob nicht irgendeinen Trividreporter oder Spion der einen oder anderen Fraktion der Ehrgeiz packte und er den Vordereingang der Pension überwachte. Mit ziemlicher Gewissheit wussten die meisten von ihnen, wo er wohnte, wenn er sich in Genf aufhielt. Schließlich hatte er nie irgendeinen Versuch unternommen, es geheim zu halten. Zum Glück war Madame Flambard mit einer wirklich phänomenalen Diskretion gesegnet und bereit, erhebliche Mühen auf sich zu nehmen, um die Privatsphäre ihrer Stammgäste zu schützen.
Das >Premier Arret< war genauso schummrig wie bei seinem ersten Besuch, und erfreulicherweise drehten sich die Gespräche in seiner Umgebung um alle Themen unter der Sonne - außer Politik. Die Leute hier unterhielten sich über Musik, Trivid, Sport, ihre Arbeit, nicht aber über die Wahl. Der Strom der Konversation wusch über Jonah hinweg und beruhigte seine gereizten Nerven. Er saß an einem Tisch im hinteren Teil des Schankraums und lauschte den Gesprächsfetzen, die zu ihm herüberwehten, während er sorgsam die Fassade des griesgrämigen Einzeltrinkers wahrte. Und so ließ man ihn bis spätabends in Ruhe, als Turk endlich erschien.
Der Ex-Sergeant brachte sein Gedeck von der Theke mit an Jonahs Tisch. »Schön zu sehen, dass
Sie gekommen sind. Ich konnte nicht sagen, ob die Frau, bei der ich die Nachricht hinterlassen hatte, sie auch weitergeben würde.«
»Das war Madame Flambard«, lächelte Jonah. »Sie legt auf die Privatsphäre ihrer Gäste großen Wert. Aber sie ist äußerst zuverlässig.«
»Zuverlässig ist gut.«
»Ja. Ihre Nachricht klang, als hätten Sie etwas für mich.«
»Möglicherweise. Ich bin mir nicht sicher.«
Das war ungewöhnlich. Jonah konnte sich nicht erinnern, dass Turk auf Kurragin jemals unsicher gewesen wäre. »Falls es wert ist, bemerkt zu werden, ist es auch wert, gemeldet zu werden«, sagte er. Er zitierte sich selbst, ein weiteres Zeichen des Alters. »Gib es weiter und lass jemand anderen sich den Kopf darüber zerbrechen.«
»Das hat nichts mit dem zu tun, worum Sie mich gebeten haben, mit den Regierungsbüros«, erklärte Turk. »Von dem Team habe ich noch keine Rückmeldung. Das hier ist etwas anderes... Aber wenn es das ist, wofür ich es halte, muss schleunigst jemand davon erfahren.«
»Dann spannen Sie mich nicht länger auf die Folter, Sergeant. Raus damit.«
»Na gut.« Turk nahm einen großen Schluck Bier, dann lehnte er sich zurück. »Als Erstes müssen Sie wissen, dass meine Leute nicht nur in den Regierungsgebäuden arbeiten. Die Republik hat uns unseren ersten großen Putzauftrag gegeben, und das ist immer noch unsere Haupteinnahmequelle, aber seit Sie mir geholfen haben, die Firma aufzubauen, haben wir noch ein ganze Reihe anderer Kunden gefunden.«
»Gut.«
»Ja, finde ich auch. Jedenfalls, als ich meinen Leuten gesagt habe, dass ein Freund von mir Informationen über Vorgänge sucht, die nicht in Ordnung sind, habe ich nicht erwartet, so schnell etwas zu hören. Ich dachte, die Leute würden sich erst noch überlegen, ob das, was sie gesehen haben, wirklich wert ist, erwähnt zu werden oder nicht. Aber heute Morgen taucht der Sachbearbeiter für den St.-Croix-Auftrag mit einem seiner Leute bei mir auf, einem Jungen namens Bruno, der in einer der St.-Croix-Lagerhallen in den Außenbezirken der Stadt sauber macht.«
»Zuverlässig?«
»Nicht sonderlich. Aber auch nicht so unzuverlässig, dass man ihn ignorieren könnte. Sie kennen die Sorte.«
»Ich bin ihr schon ein-, zweimal begegnet«, gab Jonah zu. »Aber es kommt nicht
Weitere Kostenlose Bücher