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Der Stalker

Der Stalker

Titel: Der Stalker Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tania Carver
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Tony. Ich …« Sie stockte. »Er liegt einfach nur so da. Und ich kann …« Ihre Finger begannen mit der Serviette herumzuspielen. »Ich muss eine Entscheidung treffen, Phil. Er liegt da, an all diese Apparate angeschlossen, und sie sagen, ich muss mich entscheiden. Sie wollen, dass ich ihn abschalten lasse.«
    Phils Stimme war leise und sanft. »Bist du deswegen vor mir weggelaufen?«
    Sie nickte, während ihre Finger die Serviette zerpflückten.
    »Aber das hätten wir doch gemeinsam besprechen können.«
    Marina sah auf, sah ihm direkt ins Gesicht. Ihre Augen waren rot gerändert und schimmerten. Nur die Tatsache, dass sie nicht allein waren, hielt die Tränen noch zurück. »Nein. Ich muss das allein durchstehen. Es ist meine Entscheidung, verstehst du das nicht?«
    »Erklär es mir«, bat er.
    »Ich schaffe es einfach nicht«, sagte sie. »Ich kann nicht einfach sagen: Ja, schaltet ihn ab – mir eingestehen, dass er tot ist. Ein für alle Mal tot.«
    Phil beugte sich zu ihr. »Glaubst du denn, dass er noch aufwachen könnte?«
    Hastig wischte sie sich mit dem Handrücken über die Augen, entschlossen, nicht zu weinen. Sie schüttelte den Kopf. »Nein. Nein, das ist es nicht. Glaube ich wenigstens …« Wieder  schüttelte sie den Kopf. »Es ist dieses Schuldgefühl. Das… das …« Ihre Stimme wurde leiser. »Das macht mich fertig.«
    Und genauso klingt sie auch, dachte er. Fertig. Am Ende. »Dass du dich entscheiden musst?«
    Erneutes Kopfschütteln. »Nein, nur … es nagt ständig an mir, es frisst mich auf. Ich kann nicht so weitermachen, ich kann nicht nach vorne schauen, ich kann nicht das Leben genießen, bis ich nicht diese eine Entscheidung getroffen habe. Bis ich nicht bereit bin, ihn loszulassen.« Ihre Schultern sackten nach vorn, als trüge sie eine schwere Last. »Und das schaffe ich einfach nicht.«
    Schweigend dachte Phil über ihre Worte nach. Er nahm die Wasserflasche, schraubte den Deckel ab und goss ihnen beiden ein.
    Keiner trank.
    Phil sah sie an. Als er sprach, war seine Stimme noch immer ruhig und beherrscht, obwohl es in seinem Innern ganz anders aussah. »Also gut«, meinte er. »Stell dir nur mal vor, was wäre, wenn Tony nicht … wenn er nicht da wäre, wo er jetzt ist. Wenn er nie überfallen worden wäre, wenn mit ihm noch alles so wäre wie früher, was würdest du tun?«
    Sie runzelte die Stirn. »Was meinst du?«
    »Genau das, was ich gesagt habe. Was würdest du tun?«
    »Ich …« Sie seufzte, schüttelte den Kopf und wandte erneut den Blick ab.
    »Du würdest ihn verlassen, Marina. Du würdest ihm sagen, dass du ihn nicht mehr liebst, und ihn verlassen. Stimmt’s?«
    Sie nickte mit gesenktem Kopf.
    »Für mich?« Er formulierte es als Frage.
    Wieder nickte sie.
    »Und wieso?« Diesmal war seine Stimme noch leiser, noch sanfter. Es war derselbe Ton, den er bei Vernehmungen benutzte, damit die Leute Vertrauen fassten und sich öffneten.
    »Weil ich dich liebe …«
    Er wagte ein kleines Lächeln. »Das ist alles?«
    Wieder schüttelte sie den Kopf. Dann sah sie auf. »Nein. Weil ich den Rest meines Lebens mit dir verbringen will. Weil ich noch nie jemanden so sehr geliebt habe wie dich. Weil ich noch nie jemandem wie dir begegnet bin.«
    »Jemandem, der dir so ähnlich ist, meinst du.«
    Sie nickte. »Und weil ich schwanger war mit deinem Kind.«
    »Unserem Kind.«
    »Mit unserem Kind. Weil du die Liebe meines Lebens bist.« Sie drehte sich weg und schluchzte.
    Phil wartete, bis sie sich wieder ein wenig beruhigt hatte. »Tony hat gespürt, dass du ihn verlassen wolltest, Marina. Er war älter als du. Er war dein Dozent und genau das, was du in der Phase deines Lebens gebraucht hast. Er hat genau gewusst, dass du nicht ewig bei ihm bleiben würdest. Er hat damit gerechnet. Vielleicht hat er sich nicht darauf gefreut, aber er hat es kommen sehen.«
    Marina wischte sich mit der zerfetzten Serviette über die Augen und putzte sich die Nase. Phil nahm ihre Hand.
    »Ist das nicht das eigentliche Problem?«, fragte er. »Die Tatsache, dass du ihm das nicht mehr sagen konntest? Dass du nie Gelegenheit hattest, die Beziehung wirklich zu beenden?«
    Sie entzog ihm ihre Hand. »Nein, es ist nicht nur das«, sagte sie und schniefte. »Dass er im Koma liegt, ist meine Schuld.« Sie sah ihn an, ihre Augen voller Gefühl. »Und deine auch, Phil.«
    »Wie das?«
    »Wenn wir uns nie begegnet wären, wenn ich nie mit dir zusammengearbeitet hätte, wenn all das zwischen uns nie

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