Der Stalker
legte so viel Kraft hinein, dass er vor Anstrengung laut brüllte.
Phil presste sich, so dicht er konnte, gegen das rostige Geländer der Galerie, als der Haken rasselnd an ihm vorbeischoss und durch die Zugkraft immer schneller wurde. Suzanne konnte sich nicht rühren. Sie stand da wie angewurzelt und sah mit großen Augen zu, wie der Haken auf sie zugerast kam.
»Laufen Sie!«, brüllte Phil.
Das brach endlich den Bann. Suzanne wirbelte herum und rannte los, die Galerie entlang, bis sie von der Dunkelheit verschluckt wurde. Phil drehte sich wieder um. Fiona Welch lag am Boden, die Augen vor Schmerz zusammengekniffen, und hielt sich den Kopf. Zwischen ihren Fingern sickerte Blut hervor.
Das Gesicht des Creepers schien noch röter geworden zu sein. Phil wusste nicht viel über Brandnarben, war sich aber sicher, dass das keine positive Entwicklung sein konnte.
Er hatte recht. Mit einem wütenden Aufschrei setzte der Creeper Suzanne nach. Er hinkte und schwankte beim Laufen hin und her, war aber erstaunlich schnell. Bald war auch er in der Dunkelheit verschwunden, und Phil hörte nur noch das Klappern seiner schweren Stiefel auf dem Metallgitter.
Phil richtete sich auf und schaute nach Fiona Welch. Im Moment konnte er nichts für sie tun. Er zerrte an seinen Fesseln, aber es war zwecklos. Sie saßen fest. Er brauchte etwas Scharfes, um sie aufzuschneiden. Er sah sich um, konnte aber nirgends etwas Passendes entdecken.
Der Creeper war am Fuß der Treppe angelangt und stieß erneut ein wütendes Gebrüll aus.
Handfesseln hin oder her, dachte Phil. Ich muss ihn aufhalten.
So vorsichtig wie irgend möglich und verzweifelt bemüht, ja nicht das Gleichgewicht zu verlieren, stolperte Phil die Galerie entlang. Hinein in die Dunkelheit, in der kurz zuvor die anderen beiden verschwunden waren.
Suzanne ging allmählich die Luft aus. Nachdem sie so lange still gelegen hatte, machte sich die plötzliche Anstrengung umso mehr bemerkbar. Ihre Lunge brannte, ihre Beine hatten angefangen zu zittern. Ihr Atem ging schnell und keuchend, und bestimmt konnte ihr Verfolger sie allein schon deshalb aufspüren.
Sie selbst hatte überhaupt keine Orientierung. Sie versuchte, einen Weg nach draußen zu finden, aber es schien keinen zu geben. Sie hatte keine Ahnung, wo sie sich verstecken sollte, falls er ihr folgte.
Und das tat er. Sie hörte ihn hinter sich.
Sie rannte.
Der Creeper war wütend. Sehr wütend.
Er wusste nicht, was das alles zu bedeuten hatte, aber es gefiel ihm nicht. Die Hülle hatte versucht, ihm weh zu tun. Es wurde höchste Zeit, dass die Hülle damit aufhörte.
Als er den Fuß der Treppe erreicht hatte, sah er sich um. Lauschte. Hörte Bewegung zu seiner Linken, Atemgeräusche und schnelle Schritte. Das Klatschen nackter Füße auf Beton.
Er lächelte.
Ein Kinderspiel.
Und er hatte etwas dabei, das ihm unter Umständen einen Vorteil verschaffen würde.
In seiner Tasche steckte ein Nachtsichtgerät. Er hatte es benutzt, um an der Polizei vorbei ins Gebäude zu gelangen, als er hergekommen war, um sich mit Rani zu treffen. Als er noch geglaubt hatte, dass es Rani war. Nachts benutzte er es fast immer. Genau wie das Feuer liebte er es, weil es ihm Macht verlieh.
Er setzte es auf und schaltete es ein. Die Welt vor seinen Augen erschien in geisterhaftem Grün. Er konnte sehen.
Da war sie. Ganz hinten an der Wand, in der Nähe der Kisten und des Wasserbeckens.
Des unter Strom stehenden Wasserbeckens.
Dann verschwand sie aus seinem Blickfeld. Versteckte sich.
Wenn sie nur wüsste.
Wieder lächelte er.
Zu einfach.
106 Als Mickey aus dem Vernehmungszimmer gestürzt kam, war das gesamte Revier bereits in Alarmbereitschaft versetzt. Er lief zu Anni.
»Hast du es gehört?«, fragte er. »Das alte Dock –«
Sie schnitt ihm das Wort ab. »Wir können sofort los. Wir hatten schon so eine Ahnung, dass es da sein könnte. Der letzte Anruf vom Boss kam von dort. Seitdem konnten wir ihn nicht mehr erreichen. Deshalb steht auch schon ein Einsatzkommando bereit.«
»Aha«, sagte Mickey, sichtlich enttäuscht, dass man ihm den Wind aus den Segeln genommen hatte.
Anni spürte das und lächelte ihn an. »Du warst richtig gut da drinnen. Respekt.«
»Danke.« Er wurde rot.
»Komm«, sagte sie. »Wir wollen los.«
Das musste sie ihm nicht zweimal sagen.
Das Team hatte das Revier verlassen. Marina war geblieben und betrachtete Mark Turner durch die Scheibe des Beobachtungsraums.
Sie hatte dieselben
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