Der Stalker
auf Marinas Seite des Betts und starrte vor sich hin. Doch seine Augen sahen nichts. Sein Blick war nach innen gerichtet, nicht nach außen.
Er dachte an seine Frau und seine Tochter.
Er schüttelte den Kopf, hob die Bierflasche an die Lippen. Leer. Er konnte sich gar nicht daran erinnern, sie ausgetrunken zu haben. Er seufzte. Seine Gedanken waren nicht da, wo sie hätten sein müssen: beim Fall, mittendrin in den Ermittlungen wie ein Surfer in einem Wellentunnel. Er konnte sich auf nichts konzentrieren. Und das bereitete ihm Sorgen. Nein: Es machte ihm Angst.
Anthony Howe. Schuldig oder unschuldig?
Julie Miller/Adele Harrison.
Suzanne Perry/Zoe Herriot.
Und Fiona Welch. Was genau störte ihn so an ihr? Und wieso hörte er trotzdem auf das, was sie sagte? Wieso hörte überhaupt jemand darauf?
Irgendetwas übersah er. Es gab da etwas, das er nicht erkennen konnte, als läge über allem dichter Nebel, in seinem Kopf, aber auch draußen. Irgendetwas …
Das Telefon war in seiner Hand. Wie war es dorthin gekommen? Er blickte zu Boden. Die leere Bierflasche war ihm aus den Fingern gerutscht.
Er wählte die Nummer, die er auswendig kannte.
Wartete, ohne zu atmen.
Marina sah das Display aufleuchten und hörte das leise Vibrieren des Handys, das neben ihr auf dem Bett lag. Sie hatte es den ganzen Tag über bei sich gehabt, den ganzen Abend in der Hand gehalten. Und jetzt sah sie es bloß an und ließ es klingeln.
Josephina schlief in ihrem Reisebettchen. Aus der Ecke des Hotelzimmers war leise der Fernseher zu hören. Durchs Fenster konnte sie in den Abend hinaussehen. Es war gerade erst dunkel geworden, die Lichter von Bury St Edmunds funkelten und blinkten. Verhießen Geborgenheit und Verlockung.
Sie seufzte.
Das Handy summte noch immer.
Josephina wälzte sich im Schlaf.
Sie hatte sich fest vorgenommen, mit ihm zu sprechen, wenn er das nächste Mal anrief. Ihm alles zu erklären.
Denn wenn es so weit war, hatte sie gedacht, hätte sie längst eine Entscheidung getroffen. Würde längst wissen, was zu tun war.
Aber dem war nicht so. Sie hatte nichts entschieden. War keinen Schritt weitergekommen. Also konnte sie nicht mit ihm sprechen. Weil sie sich selbst nicht trauen konnte.
Das Handy summte und summte.
Ihre Finger lagen direkt daneben. Streckten sich …
Es wäre so einfach. Abnehmen, mit ihm reden …
So einfach …
Das Summen hörte auf.
Sie seufzte. Lehnte sich zurück. Betrachtete wehmütig das Handy.
Sie fühlte sich leer und allein.
Sie konnte ihn zurückrufen …
Warum eigentlich nicht?
Nein. Was hätte sie ihm sagen sollen?
Also saß sie bloß da. Starrte das Handy an.
Und ihr Herz brach.
Phil legte das Telefon weg. Er hatte keine Nachricht hinterlassen. Er streckte sich auf dem Bett aus und blickte zur Decke empor.
Er versuchte zu schlafen.
Es ging nicht.
Noch etwas, was ihm nicht gelingen wollte. Die Liste wurde immer länger.
56 Der Creeper stand vor dem Haus und lächelte.
Es war ein großes Haus, aber da es in einer schmalen Straße zwischen anderen großen Häusern eingequetscht stand, wirkte es klein. Es war alt, aus grauem und rotem Backstein. Die großen Fenster im Erker waren aus Buntglas. Schön. Einladend. Ein Ort zum Wohlfühlen.
Diesmal hatte Rani es nicht schlecht getroffen.
Der Creeper hätte nie auch nur davon träumen können, in einem Haus wie diesem zu wohnen. Das war eine völlig andere Welt. Aber vielleicht bald?
Er beobachtete das Haus schon länger. Vor kurzem war ein Mann vorgefahren. Er hatte seinen Wagen in einer Parklücke am Straßenrand abgestellt, war ausgestiegen und hatte die Haustür aufgeschlossen. Anzug und Aktenkoffer. Er hatte jung ausgesehen und selbstbewusst gewirkt. Als wüsste er genau, dass er wichtig war. Oder als hielte er sich zumindest für wichtig.
Der Creeper hatte gelächelt. Der Mann würde früh genug die Wahrheit erfahren.
Er hatte noch ein bisschen gewartet, und irgendwann war ein zweiter Wagen gekommen, der ebenfalls einparkte. Zwei Leute saßen darin, ein Mann am Steuer und eine Frau auf dem Beifahrersitz. Sein Herz setzte einen Schlag aus. Da war sie. Er wusste es, kaum dass er sie gesehen hatte.
Rani.
Er konnte nicht aufhören zu lächeln. Er musste sich zusammennehmen, um nicht zu ihr zu rennen. Er beherrschte sich. Er würde Geduld haben. Warten, bis der richtige Zeitpunkt gekommen war.
Er sah den beiden zu, wie sie sich noch eine Weile im Wagen unterhielten. Der Fahrer sah aus wie eine etwas ältere
Weitere Kostenlose Bücher