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Der Stammgast

Der Stammgast

Titel: Der Stammgast Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Georges Simenon
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fand.
    »Ich muß Amar Paşa anrufen«, sagte sie.
    Auf dem Tisch standen die Reste einer Mahlzeit, und auf dem Diwan lag schmutzige Wäsche, die Nouchi in einen Schrank warf. Jonsac entdeckte eine Flasche Raki, schenkte sich ein Glas voll und leerte es in einem Zuge.
    »Sind Sie es?« fragte Nouchi in ungewohntem Tonfall, nachdem die Verbindung hergestellt war. »Ja! … Ich bin bei Müfti … Sie müssen unbedingt so bald wie möglich hierherkommen … Bitte? … Sehen Sie doch bitte zu, daß Ihre Gäste bald gehen! … Es ist sehr wichtig! … Sie brauchen nur die Abendzeitung aufzuschlagen, dann wissen Sie Bescheid …«
    Tevfik hatte ihr nämlich gesagt, daß die Nachricht in den Sieben-Uhr-Blättern erscheinen würde, und diese wurden in der Grande Rue von Pera bereits verkauft.
    Nouchi legte auf und ließ sich, vor Müdigkeit ächzend, auf den Diwan sinken.
    »Ich hätte nie geglaubt, daß sie dazu fähig ist!« sagte sie dann.
    Es war das erste Mal, daß sie die Tragödie und deren Ursachen ansprach.
    »Ich wundere mich, daß Tevfik nicht da ist. Er weiß, daß wir auf Nachrichten warten.«
    Sie bemerkte, daß Jonsac zur Raki-Flasche blickte, und sagte:
    »Trink nicht so viel … Iß lieber etwas …«
    Sie stand schon wieder. In einem Schrank entdeckte sie ein Stück Räucherfisch und Brot.
    »Ich möchte bloß wissen, was die alle tun … Amar Paşa hat Gäste zum Abendessen. Er schickt sie weg, sobald er kann. Ich glaube, Kataş Bey ist auch dort. Hast du mit dem Botschafter gesprochen?«
    Er schüttelte den Kopf.
    »Ist vielleicht besser so.«
    Sie waren beide überreizt, beim kleinsten Geräusch fuhren sie zusammen. Unter anderem hörte man immer wieder etwas wie ein gewaltiges Ansauggeräusch. Es war der Aufzug, der nach jeder Fahrt im Untergeschoß landete, direkt hinter dem Wandschrank.
    Durch das Fenster, das aus einem Lichtschacht zu ebener Erde auf die Straße ging, sah man die Füße der Passanten, und Nouchi und Jonsac blickten erwartungsvoll dorthin.
    »Er ist bleich geworden … Er hat nicht geweint … Er hat sich überhaupt nicht gerührt …«
    Sie brauchte nicht zu erläutern, von wem sie sprach. Jonsac wußte, daß Leylas Vater gemeint war, und er sah ihn wieder in seinem Salon sitzen, geniert, zögerlich, wie er seinem Besucher einen Porto anbot, um sich Haltung zu geben, und ihn dabei verstohlen beobachtete.
    Vielleicht hatte ihn, als Jonsac damals hereinkam, eine Ahnung beschlichen? Er hatte seine Tochter nicht zu fragen gewagt, ob er ihr Liebhaber sei, und jetzt, nur Wochen später, mußte er erfahren …
    »Solche Männer sind am gefährlichsten«, sagte Nouchi. »Je ruhiger und schüchterner sie normalerweise sind, desto wildwütiger werden sie, wenn …«
    Jonsac stand auf und quetschte sich die Finger zusammen, daß sie knackten.
    »Iß etwas!«
    Er konnte nicht. Er konnte aber auch nicht sitzen bleiben. Er konnte nicht mehr abwarten.
    Zum Glück ging die Tür auf, und der Albaner kam herein, geschäftig und geheimnisvoll, wie die ganze Clique wohl jetzt tat. Er schloß die Tür sorgfältig hinter sich ab, als befürchtete er ungebetene Gäste.
    »Ich habe eben mit Tevfik Bey gesprochen«, berichtete er mit gedämpfter Stimme.
    Selbst das Licht schien mitzutrauern, denn in der Junggesellenwohnung war es düster wie in einem Totenzimmer.
    »Er muß in der Redaktion bleiben, weil er seinen Chef vertreten muß, der krank ist. Er kann erst gegen Mitternacht kommen …«
    Das Paar blickte bange auf ihn.
    »Sie ist nicht tot!«
    »Wird sie durchkommen?« fragte Nouchi.
    »Man hofft es …«
    Der Albaner hatte gleichwohl eine zerfurchte Stirn.
    »Sie hat sämtliche Beckenknochen gebrochen … Ihr Vater hat angeblich bereits telefonisch einen berühmten Chirurgen aus Wien herbeordert … Er soll morgen früh eintreffen …«
    Jonsac wischte sich mit dem Taschentuch den Schweiß von der Stirn und schenkte sich trotz Nouchis Blicken einen kräftigen Schuß Raki ein. Der Albaner tat es ihm nach.
    »Müfti wird sicher gleich kommen …«
    Er machte sich an seine gewohnte Arbeit, öffnete den Gashahn, zündete den Boiler in der Küche an, räumte den Tisch ab und breitete ein Tischtuch darüber.
    »Konnte sie sprechen?« fragte Nouchi plötzlich etwas lauter, damit der Albaner sie in der Küche hören konnte.
    »Ich weiß nicht, Tevfik hat mir nichts darüber gesagt …«
    Sie ging zum Telefon, rief die Zeitung an, bei der ihr gemeinsamer Freund arbeitete, und murmelte halblaut:
    »Verbinden

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