Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Der Staubozean

Titel: Der Staubozean Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bruce Sterling
Vom Netzwerk:
umarmen. Das Gefühl, ihre Flügel seien gefesselt, könnte sie in panische Angst versetzen.
    Mehrere Minuten lagen wir so, lauschten dem Seufzen des Winds und wahrten unseren unbehaglichen Kontakt. Ich konnte spüren, wie Dalusas Herz wie mit durch Amphetamin aufgeputschter Geschwindigkeit an meiner Brust pochte. Dann begannen ihre Hände überraschend in meinen sackartigen Hosen an der Innenseite meiner Beine emporzukriechen. Zentimeterweise glitten sie über meine Haut und lösten eine Reaktion aus, die in ihrer Intensität beinahe erschreckend war. Das Ganze hatte einen fast unheilvollen Charakter. Im Dunkeln trieb ich auf dem Rücken im Staub, während Dalusas fieberheiße Finger die Innenseite meiner Schenkel kratzend streichelten.
    Mein eigenes Herz dröhnte jetzt, meine Hände lagen steif auf Dalusas Rücken.
    Da hielten Dalusas Hände inne und drückten kräftig. Plötzlich durchfuhr mich eine Folge schneller Krämpfe, so überraschend in ihrer Intensität, daß ich Schwierigkeiten hatte, sie als sexuellen Ursprungs zu identifizieren. Gleichzeitig durchlief Dalusas Körper ein Zittern. Erschöpft entspannten wir uns. Ich glaube, ich bin eingeschlafen.
    Jedenfalls wurde ich mir plötzlich des Sonnenlichts auf der Staubumgebung bewußt. Dalusa lag bewegungslos an meiner Brust. Behutsam stieß ich mich vom Mittelrumpf ab und schwamm in Rückenlage aus dem Schatten der Lunglance.
    Als das Sonnenlicht uns traf, fuhr Dalusa hoch. Ihre Schwingen ausbreitend, kniete sie sich auf meinen Rumpf und flatterte in die Luft; sie schüttelte Staub aus den Federn ihrer Schwingen und aus dem fliegenden Haar. Ich schwamm zur Backbordseite des Schiffs und war nach ein paar heftigen Fußbewegungen so gerade in der Lage, hochzugreifen und den Deckrand zu packen. Er war metallisch glatt; die ganze Kunststoffschicht war vom Sturm weggeblasen worden. Mich hochhievend, ergriff ich die untere Querstange der Reling. Gegen mein Gewicht protestierend, quietschte sie. Die obere Reling war vom Wind in Mitleidenschaft gezogen worden. Als ich sie packte, zerbrach sie in meiner Hand und schnitt in den Rand meiner Handfläche. Staub saugte das Blut auf, das mein Handgelenk herabtropfte. Sobald ich wieder zu Atem kam - der plötzliche Fall hatte mich hart gegen den Rumpf der Lunglance prallen lassen -, zog ich mich mit einem durch die Maske gedämpften Stöhnen hoch und rutschte unter der Reling hindurch. Ich fand ein neues Schiff vor. Es war rein, unglaublich rein, so rein wie ein abgeleckter Knochen. Einige Verdrahtungen waren zerrissen, von der ungeheuren Reibung des Windes aufgetrennt. Die Masten schimmerten. Jeder Quadratzentimeter Oberfläche war glatt und glänzend; ich konnte mein maskiertes Spiegelbild auf dem Deck sehen, wo der Sand sich ins bloße Metall gefressen hatte. Ich sah aus wie der Geist eines humanoiden Fremdwesens, so vollständig war ich mit dem hellen Staub bedeckt. Mit jedem Schritt schüttelte ich ihn aus meiner Kleidung. Der Kunststoff war völlig vom Deck gelöst, außer in den Windschattenzonen hinter den Masten, den Trantiegeln und der Steuerbordreling. Wenn die Sonne hoch am Himmel stand, würde der Glanz die Augen blenden.
    Mit kreischendem Geräusch öffnete sich die Luke zur Küche; ich fröstelte. Der erste Maat, Mr. Flack, kam vorsichtig heraus und blickte in den klaren Himmel. Dann schaute er zur Luke zurück und nickte.
    Als er sich umwandte, sah er mich völlig regungslos noch immer in der Mitte des nackten Metallrumpfs stehen. Auch er fröstelte. Ich sah die Gedanken, die durch seinen Kopf schossen: Guter Gott! Schau dir diesen armen Kerl an. Seine Haut ist völlig abgelöst und durch Staub ersetzt worden, er ist lebend mumifiziert worden. Ich hoffe, er hat nicht lange gelitten.
    Dann sagte er: »Gehen Sie runter und säubern Sie sich, Newhouse. Die Männer werden bald essen wollen.«
    Ich stand neben der Luke, während die Matrosen an mir vorbei die Treppe hinaufstampften. Calothrick war der letzte; als er herauskam, versetzte er mir einen übermäßig jovialen Schlag auf die Schulter, der eine Staubwolke auslöste.
    Ich ging durch das elektrostatische Feld in der Lukenöffnung; es löste eine beträchtliche Staubschicht von meiner Haut und eine Wolke aus meinem Haar. Als ich die Treppe hinabging, ergoß sich ein Sturzbach losen Staubs aus meiner Hose und unter meinem Hemd. Die Staubmaske noch immer auf dem Gesicht, zog ich mich aus und klatschte meine Kleidung auf die Anrichte. Staub flog auf. Ich nahm

Weitere Kostenlose Bücher