Der Staubozean
zu behandeln.«
Desperandum lächelte einnehmend. »Matrose Murphig ist verärgert, weil ich ihm eröffnet habe, daß seine Ideen eher mythisch als wissenschaftlich sind.«
»Wir sind nicht blind«, stellte Murphig verdrossen fest. »Wir sind keine Idioten. Wir reden nicht darüber, aber wir wissen, daß es unter dem Staub etwas gibt, etwas sehr Altes, Scheußliches und Starkes. Es … sie … sind seit Millionen von Jahren dort unten gewesen, meilenhoch Staub über ihren Köpfen; sie haben gelernt, gelebt, werden stärker, bis sie weise sind auf eine Art, die wir möglicherweise nicht verstehen können, weil sie wie … wie Götter der Tiefe sind.«
»Götter der Tiefe«, sagte Desperandum analytisch. »Eine klassische Form des Aberglaubens. Verstehen Sie richtig, Murphig: Daß ich Ihr Angebot zurückwies, bedeutet nicht, daß ich Sie persönlich nicht schätze. Sie sind ein ausgezeichneter Seemann. Aber mehr auch nicht.«
»Und was ist mit den Haien?« fragte Murphig. Sein Mund straffte sich. »Ich habe sie beobachtet. Ich habe alles beobachtet.« Er spießte mich mit einem schnellen Blick auf. »Sie sind immer da, wenn wir einen Wal töten. Sie können ihn nicht sehen. Sie können das Blut nicht riechen, weil der Staub es aufsaugt. Ihre Ohren sind winzig, sie können es nicht hören. Aber sie wissen, wenn etwas gestorben ist. Ich habe gesehen, wie Sie einen aufgeschnitten haben, Käpt'n. Ich weiß, daß ihr Gehirn sehr klein ist. Aber sie sind schlau und verschlagen; sie haben mehr Intelligenz, als man es irgendeinem Raubtier zubilligen darf.«
»Das hatten wir doch schon erledigt«, sagte Desperandum resignierend.
»Sie haben Lotsenfische, erinnern Sie sich? Sicherlich haben Sie die auch beobachtet, kleine Tiere mit Flügeln und großen, perfekt funktionierenden Augen.«
Murphig schwieg.
»War es das, was Sie sagen wollten, Matrose?«
»Nur noch eins, Käpt'n«, erwiderte Murphig, wobei seine Stimme vor unterdrückter Erregung vibrierte. »Am Ende der Reise werden wir sehen, wessen Ideen Gottes eigener Wahrheit mehr entsprechen. Aber das will ich noch sagen: Sie bringen Ihr Leben - und vielleicht noch mehr als Ihr Leben - in Gefahr, wenn Sie sich in Dinge einmischen, die Sie nicht verstehen.«
Urplötzlich brach Desperandum in dröhnendes Gelächter aus. Schließlich hörte er auf und wischte Lachtränen aus seinen kleinen, von Runzeln umgebenen Augen. »Ich bitte um Pardon, Murphig, wenn es mir nicht gelungen ist, Ihrem Volk den rechten Respekt zu erweisen. Aber bis jetzt ist mir noch nie klar geworden, welches Potential für Belustigungen in Ihnen steckt.«
Murphigs bleiches Gesicht wurde noch bleicher. Mit schwerfälligen, knotigen Händen zog er seine mit Zielscheiben bemalte Staubmaske über, ging durch die Kajütentür und rannte, drei Stufen auf einmal nehmend, die Treppe hinauf.
»Es hat mir kein Vergnügen bereitet, ihn auf diese Art zurechtzustutzen«, sagte Desperandum ernst. »Ich mag die Einstellung dieses Mannes. Aber das ist der Gen-Bestand. Wenn ein Planet nur von Mystikern, von religiösen Fanatikern, besiedelt wird, dann werden die Verschrobensten unter ihnen, die mit dem geringsten ausgleichenden Anflug von Vernunft … nun ja, ich bin ganz sicher, Sie verstehen, was ich meine, Newhouse.«
»Ja, Sir, das tue ich.«
»Und wenn diese Situation durch eine von Grund auf starre und konservative Kultur kompliziert wird … tja, es ist eine Frage des Menschenmaterials. Aus Holz kann man kein Oszilloskop machen.«
»Sehr richtig«, stimmte ich zu.
Desperandum lehnte sich in seinem Drehstuhl zurück; mit einem Quietschen gab die Lehne nach. »Was kann ich für Sie tun, Newhouse?«
»Ah ja, die Ausguckfrau. Ich meine, mich zu erinnern, daß unser letztes Gespräch über dieses Thema ziemlich abrupt unterbrochen wurde.«
Ich sagte nichts, versuchte aber, ein wenig verärgert auszusehen. »Wissen Sie, wo sie ist, Sir?«
»Ich habe große Achtung vor Ihnen, Newhouse, als Mann, als Terraner und natürlich als Koch. Seit ich in den Krater gekommen bin, ist das das erste Mal, daß ich annehmbar gegessen habe.«
»Danke, Sir.«
»Und auch vor Dalusa habe ich viel Respekt. Sie war bei meinen beiden früheren Fahrten dabei. Aber Ihre Beziehung betrachte ich mit einiger Besorgnis. Ich frage mich, ob Sie je über die Art der Motivation nachgedacht haben, die eine Person dazu bringt, ihren Planeten, ihren Körper, sogar ihre ganze Spezies zu ändern.«
»Sie hat irgend etwas darüber erwähnt,
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